Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
nicht, dass sie unzufrieden war. »Heh, komm! Nur weil die Benzinpreise ein bisschen heftig steigen, heißt das noch nicht, dass gleich das Ende der Welt bevorsteht, okay?«
Kapitel 32
D er Verkehr war die Hölle. Markus hatte das Ge fühl, eine Art besonders anspruchsvolles Computerspiel zu absolvieren, unter der verschärften Bedingung, dass ihn ein Unfall nicht nur Geld kosten, sondern ins Gefängnis bringen würde. Er fuhr mit höchster Aufmerksamkeit und lieber eine Spur zu langsam als zu schnell. Die Hölle. Und das Schlimmste war, dass er das Gefühl nicht los wurde, dass es an ihm selber lag.
Er hatte sich am Tag zuvor in einem Internetcafé in Cleveland die Website der Ohio State University angeschaut. Schick, umfassend, state of the art , wie üblich bei amerikanischen Universitäten. Praktisch alles, was Verwaltung anbelangte, ließ sich online erledigen, und es gab auch ein Verzeichnis der Alumni , der ehemaligen Studenten – doch an das kam man nur heran, wenn man selber ein ehemaliger Student war. Er versuchte eine Stunde lang, den Zugang zu überwinden, und gab es schließlich auf. Manche Dinge ließen sich eben doch nicht online bewerkstelligen. Eine halblegale Auskunft zu bekommen und dabei seinen Charme spielen zu lassen, beispielsweise.
Also war er noch am selben Abend nach Columbus gefahren, eine Fahrt von zweieinhalb Stunden. Er hatte in einem billigen Hotel außerhalb übernachtet, und diesmal hatte er sich den Wecker gestellt. Früh. Jetzt auf der Fahrt stadteinwärts fragte er sich, ob er einfach nur müde war oder, schlimmer, noch nicht wirklich gesund.
Der Campus der Ohio State University im Stadtteil Upper Arlington war ein ausgedehntes Gelände und überhaupt nicht zu verfehlen. Einem Schild zufolge, das er passierte, musste es irgendwo nördlich davon sogar einen Ohio State University Airport geben – allerhand. Er fand einen Parkplatz und marschierte los, umschwirrt von Leuten auf Fahrrädern oder Rollschuhen, quer über ein gewaltiges, irgendwie imperial wirkendes Rasenoval, das von Fußwegen durchzogen war und von den wichtigsten Universitätsgebäuden umringt wurde. Die Verwaltung befand sich im kleinsten und ältesten davon, doch erst als Markus nach vielem Fragen vor der Tür der Registratur angelangt war, kam ihm zu Bewusstsein, dass heute Samstag war und die Verwaltung natürlich geschlossen.
Er war wirklich noch nicht wieder fit.
Was jetzt? Er studierte die Maserung der alten, edlen Holztäfelung des Ganges und überlegte. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als bis Montag zu warten. Ab acht Uhr war geöffnet.
Zwei Übernachtungen mehr als geplant. Mit dem Geld wurde es allmählich knapp. Aber darüber dachte er im Moment am besten einfach nicht nach. Aus einem Impuls heraus drückte er die Klinke, und oh Wunder, die Tür war gar nicht verschlossen.
Im Raum dahinter schien eine Art Inventur oder Großreinemachen im Gang zu sein. Akten lagen aufgetürmt, wurden aus Schränken geholt und in Kartons gestapelt, jemand zählte irgendetwas und machte Vermerke in eine Liste, ein anderer tat nichts anderes, als neue leere Kartons zusammenzufalten …
»Wer zum Teufel hat die Tür offen gelassen?«, rief eine Frau in einem bonbonrosa Hosenanzug, während sie auf Markus zustöckelte. »Junger Mann, wir haben geschlossen. Montag früh ab acht Uhr sind wir wieder für Sie –«
»Ich habe nur eine Frage, die Sie mir sicher aus dem Handgelenk beantworten können«, sagte Markus rasch.
»Ah ja? Nämlich?«
»Ich suche einen Mann, von dem ich nur weiß, wie er heißt und dass er vor zirka dreißig Jahren hier studiert haben muss, und –«
»Verstehe«, unterbrach sie ihn spitz. »Ja, Sie haben Recht, darauf kann ich Ihnen tatsächlich aus dem Handgelenk antworten. Nämlich: Wir geben keine Auskünfte über ehemalige Studenten, es sei denn auf richterliche Anordnung. Sie brauchen sich also am Montag nicht herzubemühen. Und jetzt, bitte, wir haben zu tun, wie Sie sehen.« Sie wandte sich an einen jungen Mann mit schrecklich vielen Pickeln, der einen mit gefüllten Kartons beladenen Rollwagen zur Tür schob. »Isaac, nehmen Sie ihn mit raus, und schließen Sie hinter sich ab, okay?«
Dorothea verfolgte die Nachrichten, obwohl sie es hasste, Nachrichten zu verfolgen. Aber sie schaffte es nicht, sich vom Fernseher zu lösen.
Gestern Abend, nach dem Freitagsgebet, hatten sich die Proteste gegen die behutsam vorrückenden amerikanischen Panzer zugespitzt, und in der Nacht
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