Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
hatte es dann, natürlich, die erste Schießerei und die ersten Toten gegeben. Heute nun war eine richtiggehende Straßenschlacht im Gange, die einem das Fernsehen fürsorglich live ins Haus übertrug. Damit war aus der amerikanischen Aktion endgültig ein richtiger Feldzug geworden.
Zwischendurch kamen ein paar andere Nachrichten, aber alles andere – Sport, die Marotten der Reichen und Berühmten, andere politische Ereignisse – schien wie in den Hintergrund gerückt. Nebensache.
Ein ausführlicher Bericht beschäftigte sich mit China. In einer Rede vor dem Sicherheitsrat bezeichnete der chinesische UN -Botschafter das Vorgehen der USA als »getarnte Invasion eines souveränen Staates« und als Imperialismus. In Peking nahm der Staats- und Parteichef die größte Militärparade seit zwanzig Jahren ab, außerdem wurde eine neue Langstreckenrakete erfolgreich getestet. Der chinesische Außenminister, so erfuhr man, absolvierte eine Reise durch verschiedene arabische Staaten. Man erfuhr nicht, worüber geredet wurde, aber Gerüchten zufolge bot sich China den arabischen Staaten als neue Schutzmacht an. Ein Kommentator erläuterte die verführerische Logik dieses Arrangements: China lag diesen Staaten nicht nur geografisch weit näher als die USA , das Verhältnis wäre auch historisch völlig unbelastet. Die Chinesen mochten Ungläubige sein, aber sie hatten nie einen Kreuzzug gegen die Araber unternommen.
Der amerikanische Vizepräsident kommentierte diese Gerüchte mit dem Satz: »Ach was, den Chinesen geht es auch bloß ums Öl«, was wiederum Empörung auslöste wegen des Wörtchens »auch«. Dabei stimmte es: China brauchte Öl so dringend wie die USA , und das Land besaß wenig eigene Vorkommen. Der rasante chinesische Wirtschafsaufschwung hatte auch den chinesischen Öldurst steigen lassen; im Jahr 2004 hatte es Japan als zweitgrößten Ölkonsumenten abgelöst. Und China war nicht nur eine Nuklearmacht, die drittgrößte, sondern unterhielt auch das mit Abstand größte stehende Heer der Welt.
Und immer wieder die Tanks von Ras Tanura. Zweihundert Millionen Barrel Rohöl. Es würde, sobald die Verladeeinrichtungen repariert waren, mehr als einen Monat dauern, das alles zu verschiffen.
Werner kam die Treppe herunter, einige Ausdrucke in der Hand. »So«, meinte er, »ich habe jetzt mal ein paar Informationen gefunden …«
In diesem Augenblick zoomte das Fernsehbild auf einen vermummten Jugendlichen, der auf einem Dach hockte und mit einer Panzerfaust auf einen amerikanischen Bradley-Schützenpanzer anlegte. Jetzt. In genau diesem Augenblick, nur Tausende von Kilometern entfernt.
»Sag mal«, hörte sie Werner hauchen, »da geht’s ja ab! Was haben die denn für Zeug …?«
Das Geschoss verließ das Schulterrohr und raste, eine Rauchschleppe hinter sich herziehend, auf den Panzer zu. In fast demselben Moment zuckte etwas aus einem Gerät an der Oberseite des Kampffahrzeugs, und gleich darauf explodierte das Geschoss, weit vor seinem Ziel.
Markus hielt dem Jungen die Tür auf, sodass er mit seinem Wagen hindurchfahren konnte. Dann folgte er ihm nach draußen.
Isaac lächelte verlegen. »Ich muss leider trotzdem abschließen.«
»Klar«, bestätigte Markus. »Jeder hat seine Pflichten.«
»Da sagen Sie was Wahres.«
Während Isaac mit einem beeindruckenden Schlüsselbund hantierte, betrachtete Markus die Faltkartons auf dem Wagen und fragte sich, ob womöglich Taggards Akte in einem davon steckte. Das Schicksal spielte manchmal solche Streiche.
»Sagen Sie, Isaac, Sie sehen aus wie jemand, der sich mit der ganzen Verwaltung hier bis ins Letzte auskennt«, sagte er. »Kann ich Sie mal was fragen?«
Isaac lächelte geschmeichelt. Er hatte nicht nur Pickel, dass es einen grauste, sondern auch noch schiefe Zähne. Eigentlich sah er vor allen Dingen hässlich aus. »Also, ehrlich gesagt, alles weiß ich natürlich auch nicht …«
»Wenn ich jemanden suche, der vor langer Zeit mal hier studiert hat, was gibt es denn da für Möglichkeiten, rauszufinden, wann genau das war und mit wem er zusammen gewesen ist?«
Isaac bleckte die Zähne. »Hat er seinen Abschluss gemacht?«
»Ja.«
»Dann gibt es eine ganz einfache Möglichkeit …« Er erklärte ihm, welche.
Zwanzig Minuten später stand Markus in der Bibliothek, die samstags selbstredend geöffnet war, durchgehend bis zweiundzwanzig Uhr, und erklärte einer Bibliothekarin, was er suchte.
Sie war ein ätherisch zartes Geschöpf mit großen Augen
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