Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
überwältigenden Wunsch, Taggard zur Rede zu stellen. Bloß wie? Wie sollte er ihn je aufspüren? Er wusste nichts über ihn. Und wenn er für die CIA gearbeitet hatte, war nicht einmal sicher, dass Charles Taggard sein richtiger Name war …
Da. Eine Erinnerung.
Ich habeWirtschaftswissenschaftenstudiert,anderOhioStateUniversity …
Das hatte er gesagt. Es mochte gelogen sein, aber wozu hätte er lügen sollen? Er hätte die Universität einfach nicht zu erwähnen brauchen.
Ließ sich damit etwas anfangen? Es musste. Es war alles, was er hatte.
War es das stundenlange Starren auf den Fernsehschirm, das ihm diese Kopfschmerzen bereitete, oder waren es die Bilder, die sie sahen? Abu Jabr hätte es nicht sagen können. Amerikanische Panzer in den Straßen von Al Khobar oder Dammam! Die Kommentatoren des amerikanischen Fernsehsenders erklärten unermüdlich, es sei keine Invasion, aber es sah trotzdem sehr wie eine aus!
In den deutschen Medien wurde das Vorgehen der USA weitgehend verurteilt. Manche zogen sogar Parallelen zum »Prager Frühling« und dem Einmarsch der Sowjettruppen in der Tschechoslowakei. Das hatte ihm Wasimah berichtet, die das Fernsehprogramm verfolgte und jeden Tag eine deutsche Zeitung kaufte. Insgeheim allerdings, erzählte sie, hoffe jeder, die US -Truppen würden die Ölkrise bald beenden und die gewohnten Verhältnisse wieder herstellen. Jedenfalls sei das der einhellige Tenor, wenn man die Gespräche in der Klinik belausche.
Sie sagten also das eine und meinten das andere. Abu Jabrs Kopfschmerzen wurden immer stärker.
»Es fühlt sich an, als würde die Verderbtheit des Westens auf mich übergreifen«, erklärte er seiner Schwiegertochter. »Als wäre sie ansteckend …«
Was war das? Verdrehte sie da etwa die Augen? Oder litt sie ebenfalls?
»Abu, Ihr solltet einfach mal rausgehen«, sagte Wasimah. »Einen langen Spaziergang machen. Der Park rund um die Klinik ist wirklich schön.«
Abu Jabr folgte ihrem Rat, schon weil es ihm widerstrebte, die Ärzte um ein Medikament zu bitten, und stellte fest, dass Wasimah Recht hatte. Es tat gut, frische Luft zu atmen, Platz um sich herum zu haben und auf Pflanzen zu schauen, auf Hügel und Seen oder die blasse, kraftlose Sonne am wolkig-grauen Himmel. Kalt war es, obwohl es hieß, dies seien schöne Tage, vielleicht die letzten sonnigen Tage des Jahres. Nun ja, er war die europäischen Verhältnisse nicht gewohnt; er hatte das Gefühl, dem Polarkreis nahe zu sein.
Aber der Kopfschmerz schwand. Er kam zu dem Schluss, dass es zwecklos war, sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, auf die er keinen Einfluss hatte. Es war Allahs Wille, dass er in diesen Tagen hier war, weit weg von zu Hause, und anstatt sich darüber zu grämen, tat er besser daran zu versuchen, den Grund dafür zu verstehen. Er würde den Fernsehapparat ab jetzt ausgeschaltet lassen. Zumindest die meiste Zeit. Er würde auch aufhören, Zayd anzurufen. In dieser Situation hatte sein Sohn sicher mehr zu tun, als ihm –
»Es freut mich, Sie einmal hier draußen anzutreffen, Eure Hoheit«, unterbrach jemand seine Gedanken. Der Direktor der Klinik.
Abu Jabr wandte sich um, musterte den untersetzten, rundlichen Mann und versuchte sich zu erinnern, wie er hieß. Vergebens, wie meistens, wenn er es mit Westlern zu tun hatte.
» As-salaamu ’alaikum «, sagte er der Einfachheit halber. Das passte immer.
» Wa’alaikum as-salaam «, erwiderte der weißhaarige Mann nahezu formvollendet und neigte den Kopf. Er war Abu Jabr schon bei der Ankunft spontan sympathisch gewesen: freundlich, weltgewandt und offen. »Sind Sie zufrieden?«
Abu Jabr deutete eine Verbeugung an. »Ich fühle mich willkommen.«
»Die Behandlung Ihres Enkels macht gute Fortschritte, habe ich gesehen.«
» Al-chamdullah «, murmelte Abu Jabr, wie es sich gehörte, und fuhr fort: »Es ist ausnahmsweise nicht die Gesundheit meines Enkels, die mein Herz bekümmert, sondern die Ereignisse zu Hause. Sie haben sicher davon gehört.«
Der Klinikdirektor – wie war nur sein Name? – nickte heftig. »Oh ja, sicher. Ich höre jede Stunde die Nachrichten. Schlimme Sache. Ich hoffe nur, die Lage entspannt sich bald.«
»Wenn Gott es will.« Abu Jabr deutete auf eine eigenartige, silberglänzende Installation auf einem der Dächer, deren Bedeutung ihm ein Rätsel geblieben war. »Sagen Sie – was ist das für eine Anlage auf diesem Gebäude dort?«
Der untersetzte Mann sah in die angegebene Richtung. »Das? Das ist
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