Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Macht. Verzeiht, Abu, das sind seine Worte. Wir werfen so viel Geld unter das Volk, sagt er, wie wir nur können, aber das Volk wird immer unzufriedener, ist überzeugt, dass wir es nicht wert sind, das Land zu führen, das die heiligen Stätten birgt. Wir geben ihnen Geld, und so lange schweigen sie, aber wenn das Öl einmal nicht mehr fließt, woher soll das Geld dann kommen?«
»Das Öl? Aber … es fließt doch noch.«
Wasimah holte einen Schlüssel hervor und reichte ihn Abu Jabr. »Das ist der Schlüssel zu einem Anwesen in Marokko. Zayd nennt es ›unseren Falkenhorst‹. Er hat gesagt, wenn … unerwartete Dinge geschehen – Dinge, die unsere Rückkehr verhindern –, dann sollen wir dorthin gehen.«
»In Marokko?«
»Es liegt in den Bergen. Sehr angenehm, sagt Zayd. Ich war noch nie dort.«
»Eine … Fluchtburg?«
»Ja.«
Abu Jabr nahm den Schlüssel, umgriff das kühle Metall. »Das also hat das Öl aus uns gemacht. Gewissenlose, vom Luxus besessene Lumpen. Erbärmliche Flüchtlinge, die aus ihrer eigenen Heimat fliehen müssen.«
Den Rest des Tages verbrachte Markus in einem Internet-Café, in dem es auch Telefonzellen mit Türen gab, die man hinter sich zumachen konnte.
Manche der Namen, die er notiert hatte, waren zu gebräuchlich, als dass sich dazu etwas finden ließ, aber ein paar von Taggards Studienkollegen machte er doch ausfindig. Die Story, die Markus erzählte, um seine Anrufe zu begründen, ging so: Ein Mann, von dem er nur den Namen Charles Taggard wisse und dass er an der Ohio State studiert habe, habe ihm geholfen, als er mit seinem Wagen auf dem Weg zu einem Termin mitten in der Einöde liegen geblieben war. Dank seiner Hilfe habe er das Geschäft seines Lebens gemacht, und nun wolle er diesen Mann ausfindig machen, um ihn daran teilhaben zu lassen.
Nur ein Einziger bezweifelte das, erklärte, er sehe keinen Anlass, einem wildfremden Anrufer persönliche Fragen zu beantworten, und hängte wieder auf. Alle anderen fanden die Geschichte großartig, kramten bereitwillig in ihrem Gedächtnis oder in alten Notizbüchern, und ja, hilfsbereit sei er wirklich gewesen, Charles Taggard. »Ohne ihn wäre ich im ersten Jahr rausgeflogen«, meinte einer sogar. Überhaupt ein angenehmer Mensch. Ziemlich klug auch, habe hervorragende Noten geschrieben. Nur mit Frauen habe er immer Pech gehabt, tragisch. Wie ein böser Fluch sei das gewesen.
Aber keiner wusste etwas über seinen Verbleib. Jeder meinte auf die entsprechende Frage, er habe keinen Kontakt mehr, leider.
Einer wusste, dass Charles Taggard nach dem Studium zu einer Unternehmensberatung gegangen war, »Eurocontact« oder so ähnlich. Das sei aber lange her, wie gesagt.
Doch schließlich erinnerte sich einer, dass Taggards Eltern in Bloomington gelebt hatten, im Nachbarstaat Illinois. »Natürlich weiß ich nicht, ob sie noch leben«, meinte er, während er ein altes Adressbuch durchblätterte. »Ich meine, sie müssten inzwischen ziemlich alt sein, über achtzig oder so. Aber andererseits, unmöglich ist es nicht, oder? Mein Vater lebt noch, und er ist einundneunzig. Ah, hier habe ich sie. Tatsächlich. Leider nur die Adresse.«
»Das hilft mir schon weiter«, sagte Markus.
»Gut. Haben Sie was zu schreiben?«
»Griffbereit.«
Nach diesem Telefonat kehrte Markus an den Computer zurück und suchte nach einem Telefonverzeichnis von Illinois. Da, die Adresse gab es noch, und eine Telefonnummer auch.
Er rief an, aber es meldete sich niemand.
Egal. Er würde hinfahren. Er ließ sich von einem Routenplaner austüfteln, wie er zu fahren hatte. Rund sieben Stunden sollte die Fahrt dauern. Gut, dann konnte er morgen Nachmittag dort sein. Gerade rechtzeitig, um sich zu Kaffee und Kuchen einladen zu lassen, wenn er Glück hatte.
Kapitel 33
S ie mussten an die zweihundert Kilometer bis zu Anstätters Hof fahren, der nordöstlich von Stuttgart mitten in einem erstaunlich unzugänglichen Waldgebiet lag. Die Wegbeschreibung, die Werners Freund Volker ihm gemailt hatte, enthielt Passagen wie: Am Ortsausgangsschild den Tageskilometerzähler auf null stellen; bei Stand 2 , 1 rechts in den Feldweg abbiegen, diesem ca. 2 km folgen.
Der Feldweg tauchte auf, aber es gab keinerlei Schild, keinen Wegweiser oder gar Briefkasten. Während sie durch die engen, überwachsenen Spurrillen fuhren, über Stock und Stein, fragte sich Dorothea, wie jemand, der so abgelegen wohnte, Post bekommen mochte. Eine Tageszeitung konnten die Anstätters unmöglich
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