Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
rechtzeitig umzuschalten.
So erfuhr die Öffentlichkeit bei dieser Gelegenheit, dass Gasvorkommen, anders als Ölvorkommen, nicht allmählich nachlassen, sondern in der Regel praktisch schlagartig versiegen. Aus einigen texanischen Ölquellen der ersten Stunde, aus denen vor fünfzig, sechzig Jahren das Öl in kaum zu bändigenden Fontänen geschossen war, saugte heute eine gemächliche Pumpe noch ein, zwei Fass pro Tag aus dem Boden. Bei Erdgas gab es derlei nicht. Eine Gasquelle, aus der es an einem Tag kräftig strömte, konnte am nächsten Tag völlig tot sein. Das sah man manchmal kommen, manchmal aber eben auch nicht.
Doch abgesehen davon glaubte niemand auch nur ein Wort von dem, was der Gazprom -Sprecher sagte. Das Ganze war, darin waren sich alle einig, eine Machtdemonstration. Gazprom , das größte Unternehmen Russlands und größter Erdgasförderer der Welt, verfügte allein über wenigstens ein Sechstel aller als gesichert geltenden Gasvorkommen der Erde. Über ein Fernleitungsnetz mit einer Gesamtlänge von 150000 Kilometern exportierte der Energieriese das Gas zu ermäßigten Preisen in die anderen GUS -Staaten und zu Weltmarktpreisen ins europäische Ausland.
Und insbesondere Deutschland war, das hatte dieser Vorfall gezeigt, längst völlig abhängig von russischem Erdgas. Sollte der Konflikt zwischen Russland und den USA eskalieren, so zweifelte niemand daran, dass Russland den Gashahn zudrehen würde, sollte sich Europa im Rahmen seiner NATO -Bündnispflichten an die Seite der USA stellen. Vorräte an Erdgas gab es so gut wie keine; Erdgas zu speichern war auch technisch bei weitem nicht so einfach wie bei Erdöl.
War der Nachbar Frankreich in der Vergangenheit ob seiner Nuklearpolitik oft scheel angesehen worden, wurden die Blicke über den Rhein nun zunehmend neidischer. Frankreich erzeugte sage und schreibe 81 % seiner gesamten Elektrizität in Atomkraftwerken – weitaus mehr als jedes andere Land auf der Welt. An den Meilern war auch in technischer Hinsicht nichts auszusetzen: Gehörte die Zukunft am Ende doch der Atomenergie? Die Partei der Grünen in Deutschland bezog eindeutig gegen diese Idee Stellung und verlor bei einer anstehenden Landtagswahl drastisch an Stimmen. Die anderen Parteien zogen es vor, sich nicht festzulegen.
Der junge Mann, der ihn für den Fernsehauftritt schminkte, war nervös. Einen künftigen König abzutupfen, das zerrte offenbar an seinen Nerven. Abu Jabr lächelte ihm beruhigend im Spiegel zu. Jedenfalls versuchte er es; er war selber angespannt.
Er befühlte das zusammengefaltete Blatt Papier in seiner Tasche. Er wusste, dass es nicht herausfallen konnte, und inzwischen hätte er den Text auch auswendig gekonnt, trotzdem musste er immer wieder danach tasten. Im Grunde, überlegte er, war dieses Papier eine Waffe. Ein Schwert des Wortes.
Hoffte er jedenfalls.
Er war erschüttert gewesen über das Ausmaß der Zerstörungen in Riyadh. Ausgebrannte Geschäfte, zerstörte Häuser, beschädigte Fassaden – und dazu das Bild patrouillierender amerikanischer Panzer! Das musste alles so schnell wie möglich anders werden. Am erschütterndsten fand er allerdings die Lethargie, die in der Stadt herrschte und im ganzen Land, soweit er es gesehen hatte. Inshallah! Das war keine Antwort. Das war auch nicht das, was Gott vom Menschen erwartete. Die Kämpfe ruhten schon seit etlichen Wochen, doch niemand griff zur Schaufel, um die Trümmer zu beseitigen.
Miller streckte den Kopf herein. »Es geht gleich los, Euer Hoheit.« Miller, das hatte Abu Jabr inzwischen aus ihm herausbekommen, war verheiratet, hatte drei Kinder und lebte in einem Vorort von Boston. Und er machte sich Sorgen, wie sie das Haus halten sollten, wenn das Benzin ausging.
»Haben Sie Ihre Rede?«, fragte Miller.
»Keine Sorge.« Abu Jabr erhob sich, das Manuskript in Händen.
Eigentlich war es Millers Rede. Oder jedenfalls hatte er sie mit ihm durchgesprochen, einige Änderungswünsche akzeptiert und sie mit ihm eingeübt. Miller war ein erfahrener Pressemann und sein Arabisch passabel, wenn er auch lieber Englisch sprach. Er würde, so hatte er angekündigt, ihn so lange beraten, wie er das wünsche.
Es hatte nicht so geklungen, als habe man wirklich vor, Abu Jabr in dieser Hinsicht eine Wahl zu lassen.
Abu Jabr war nie auf eine Schule gegangen, anders als die Kinder heute. Seine Mutter hatte ihm Lesen und Schreiben anhand des Korans beigebracht. Er hätte es allerdings vorgezogen, in eine Schule
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