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Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt

Titel: Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Muselmane?«, vergewisserte sich Pfeffer.
    Gulbenkian hob abwehrend die Hand. »Wir Armenier sind orthodoxe Christen.«
    »Lassen Sie uns endlich zur Sache kommen«, fuhr Friedrich Westermann ungeduldig dazwischen. »Selbstredend werde ich Ihren Namen nach Berlin kabeln müssen; ohne eine Bestätigung Ihrer Legitimation von dort kann ich überhaupt nichts unternehmen. Aber gehen wir einmal davon aus, dass es mit allem, was Sie sagen, seine Richtigkeit hat: Wie sehen dann die nächsten Schritte aus?«
    Falls er den Armenier durch seine Geradlinigkeit gekränkt hatte, ließ dieser es sich jedenfalls nicht anmerken. »Die nächsten Schritte«, sagte Gulbenkian ruhig, »sehen so aus, dass wir gemeinsam die fraglichen Ölsickerstellen in Augenschein nehmen. Da es mir vergönnt war, einige Erfahrungen in Baku zu sammeln, hoffe ich dadurch zu einem Urteil zu gelangen, inwieweit sich bei Mosul eine ähnliche Ölgewinnungsstätte errichten lässt. Danach werde ich dem Sultan meine Vorschläge unterbreiten, ob und wie ich dabei behilflich sein kann, das Öl zu fördern und damit zu handeln.«
    Westermann winkte ungeduldig ab. »Offen gestanden ist mir völlig gleichgültig, was Sie mit dem Öl machen. Mir geht es darum, eine geeignete Trasse zu bestimmen, und das so schnell wie möglich. Wir liegen inzwischen so weit hinter dem Zeitplan zurück, dass ich mir nicht mehr vorstellen kann, wie wir den Verzug jemals wieder aufholen sollen.«
    Gulbenkian schlug die Beine übereinander und holte ein Etui aus getriebenem Silber aus der Tasche. »Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen. Sie werden diese Bahnlinie ohnehin niemals bauen.«
    »Wie bitte?«, schnappte Friedrich.
    Der Armenier bot ihnen Zigarren an – was sie beide dankend ablehnten –, nahm sich dann selber eine und begann mit dem Ritual, sie zu entzünden.
    »Ist Ihnen das nicht klar?«, fragte er schließlich gelassen und wies mit einem Kopfnicken auf die große Wandkarte, vor der sie saßen. »Betrachten Sie einfach nur die Geografie. Eine Bahnlinie Berlin – Bagdad würde ein riesiges Gebiet voller Reichtümer unter deutsche Kontrolle bringen, das für eine Seemacht unangreifbar ist. Man könnte die Bahn dazu benutzen, deutsche und türkische Truppen bis auf Schussweite an britische Interessensgebiete in Ägypten heranzubringen. Sie könnten vom Persischen Golf aus das indische Empire bedrohen. Mit diesem Schienenstrang gewönne Deutschland die Kontrolle über die Dardanellen und den Hafen von Alexandropoulos und wäre damit auf einen Schlag eine bedeutende Seemacht im Mittelmeer.« Er sog an seiner Zigarre und schüttelte den Kopf. »Meine Herren, machen Sie sich nichts vor. Das wird meine Regierung niemals zulassen.«
    Hans Pfeffer lehnte sich mit angewidertem Gesichtsausdruck zurück. »Möchte wissen, was sie dagegen tun wollen. Einen Krieg anfangen? Wegen ein paar Lokomotiven?«
    Gulbenkian paffte genüsslich, den Blick auf die Wandkarte gerichtet. »Eine interessante Frage, in der Tat.« Er wandte sich an den dicklichen Mann aus Köln. »Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, mir auf dieser Karte den genauen Verlauf der Bahnstrecke zu zeigen? Vielleicht kann ich Ihre Frage dann beantworten.«
    Das ließ sich Pfeffer nicht zweimal sagen. Im Nu stand er vor der bemalten Wand und fuhr mit dem Finger, so gut es ging, die ungefähre Strecke ab, die von Berlin durch Österreich-Ungarn führte, durch Bulgarien, durch …
    »Serbien«, rief Gulbenkian aus. »Natürlich. Das ist es. Ein ewiger Unruheherd.« Er wandte sich an Friedrich. »Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Das schwächste Glied Ihrer Kette ist Serbien.«
    »Und was heißt das konkret?«
    »Konkret? Ich bin nicht in der Situation, Ihnen etwas Konkretes sagen zu können. Ich bin nur ein Mann, der Landkarten zu lesen vermag. Sie werden diese Bahnlinie niemals bis Bagdad führen, und scheitern wird es irgendwann, irgendwie an Serbien. Denken Sie an meine Worte.«
    Friedrich Westermann sollte tatsächlich noch oft an Gulbenkians Worte denken.
    Nach dem Gespräch mit dem Armenier und nachdem sein Auftrag von Berlin telegrafisch bestätigt worden war, fuhren Westermann und Pfeffer zu ihren wartenden Arbeitern nach Mosul zurück und machten sich an die Erarbeitung einer alternativen Trasse, die nach Samarra weiterführte, weitab der Sickerstellen. Zum vereinbarten Treffen brachte Gulbenkian einen Trupp von Fachleuten mit; die meisten aus England, aber auch einige Russen

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