Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
hielt.
»Ich warte nur auf Sie.« Westermann wedelte mit der Landkarte. »Diese Karten sind mehr als ungenau, wenn Sie mich fragen. Eigentlich müsste man hier alles neu kartografieren.«
»Eins nach dem anderen«, meinte Pfeffer ungerührt, während er sich vom Pferd hievte. Dann begann er umständlich, seinen Theodoliten vom Sattel loszuschnallen.
Na, das konnte noch dauern. Der Kölner war in Ordnung, aber der Schnellste war er nicht. Westermann schritt auf den Fluss zu, der sich träge vorbeiwälzte. Ein wenig Grün entlang seiner Ränder, aber wie kahl und leblos hier ansonsten alles war! Geröll, Sandflächen, ab und zu ein paar karge Sträucher, angenagt von den Ziegen, die die Einheimischen hier weiden ließen …
Er hielt mitten im Schritt inne, betrachtete argwöhnisch den sandigen Boden, hob dann einen Fuß und besah sich die Schuhsohle.
Oh nein!
Der Eisenbahningenieur ging in die Hocke, fuhr mit den Fingern über die dunkle, schwach glänzende Fläche. Man roch es schon. Er hatte Grabwerkzeuge aller Art in seiner Gepäcktasche, aber er brauchte sie nicht: Selbst mit der bloßen Hand ließ sich das Erdreich leicht aufgraben.
»Sie können Ihre Geräte gleich wieder einpacken«, sagte er zu dem Vermessungstechniker, als er, eine Hand voll Erde in der Hand, zu den Pferden zurückkam. »Wir haben ein Problem.«
Pfeffer hob nur die buschigen Augenbrauen. »Das haben wir doch andauernd.«
Westermann hielt dem anderen das schwarze, schmierige Gemisch unter die Nase. »Riechen Sie mal.«
Der Kölner verzog das Gesicht. »Puh! Was ist das? Nafta?«
»Ja. Auch Steinöl, Erdöl oder griechisch Petroleum genannt. Ich fürchte, das macht die ganze Gegend hier wertlos.« Er wischte den öligen Sand von den Händen und zog ein Taschentuch hervor, um sich notdürftig zu säubern. »Ehe wir mit der Vermessung weitermachen, müssen wir uns über die Bodenbeschaffenheit Gewissheit verschaffen. Wo eine solche Ölsickerstelle ist, sind meist noch mehr, und auf so einem Grund kann man nicht bauen. Jedenfalls keine Eisenbahnstrecke.« Westermann blätterte in seinen Karten, zog die Übersichtskarte hervor. »Ich hoffe bloß, dass wir die Strecke am Ende nicht anders legen müssen.«
Denn Alternativen standen in dieser dünn besiedelten Gegend im Grunde nicht zur Wahl. Die bislang festgelegte Trasse führte über die nordsyrische Ebene, bis sie bei Mosul auf den Tigris stieß, und es war vorgesehen, dem Fluss von da an südwärts zu folgen. Nimrud lag bereits hinter ihnen, die nächste größere Stadt würde Kalaat Shergat sein, gefolgt von Kalaat Jabaar, Tekrit, Samarra und schließlich Bagdad. Mit anderen Worten, sie mussten nun vorrangig genau herausfinden, wie groß das betroffene Gebiet war, und es an die Planungsabteilung der Anatolischen Eisenbahngesellschaft melden. Die würden sich dann Gedanken darüber machen müssen, wie man den Bereich umgehen konnte …
»Wertlos?«, wiederholte Pfeffer. »Da wäre ich mir nicht so sicher. In Amerika und Russland bohrt man regelrecht nach Erdöl. Man gewinnt Kerosin daraus; Sie wissen schon, für die Lampen. Soweit ich weiß, kann man sogar Automobile damit betreiben.«
Westermann ließ die Karten sinken. »Automobile sind Spielzeuge für reiche Leute, weiter nichts.«
»Mag sein, aber das heißt doch trotzdem, dass ein Ölfund einen gewissen Marktwert besitzen könnte, oder?«
Der Eisenbahningenieur sah sinnend ins Leere. »Da haben Sie nicht ganz Unrecht. Gut. Wir werden den heutigen Tag nutzen, um uns einen Überblick über das Ausmaß der Sickerstellen zu verschaffen. Morgen reisen wir dann zurück nach Mosul und kabeln unseren Befund nach Berlin.«
Sie mussten nicht lange auf Antwort warten, doch das Telegramm aus Berlin überraschte sie. Sie mögen sich, hieß es, unverzüglich auf den Weg nach Konstantinopel machen und beim deutschen Botschafter vorstellig werden zwecks weiterer Anweisungen. Seine Hoheit, Sultan Abdul Hamid II ., der Herrscher des Osmanischen Reiches, wünsche sie persönlich in der Angelegenheit der Ölfunde zu befragen.
»Was?«, rief Hans Pfeffer entrüstet aus. »Den ganzen Weg zurück, bloß für einen Plausch mit dem obersten Turbanträger?«
»Er trägt einen Fez«, korrigierte Westermann ihn. »Und ab Konya können wir mit der Eisenbahn fahren.«
Dass sie die beschwerliche Reise auf sich nehmen mussten, daran gab es nichts zu rütteln: Die Anweisung war gezeichnet von Karl Helfferich persönlich, dem Chef der Deutschen Bank, der
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