Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
gewachsene, stolze Mann, auch im hohen Alter noch jeder Zoll ein Krieger, hieß mit vollem Namen Abd al-Asis Ibn Abd ar-Rahman Ibn Saud. Geleitet von der wahhabitischen Lehre vom reinen Islam und mit dem Anspruch, legitimer Nachfahre früherer Herrscher zu sein, hatte er im Jahre 1902 Riyadh von den Rashidis zurückerobert, den im Volk wenig beliebten Statthaltern des Osmanenreiches. Nachdem er seine Stellung im Nedjd gefestigt hatte, hatte er 1922 das Emirat Hail unterworfen, 1925 die heilige Stadt Mekka und das Königreich Hidjas erobert und 1927 das Emirat Asir annektiert. 1932 schließlich hatte er alle Gebiete zum Königreich Saudi-Arabien vereinigt, dessen Herrscher er seither war.
Zu seinem Empfang hatte die Mannschaft der US S Quincy am Bug des Schiffes ein großes Zelt aus Segeltuch aufgespannt. Zwei Sessel für den König und den Präsidenten standen darin, darum herum lagen zahlreiche Teppiche und Sitzkissen für dessen Begleiter. Die Schiffsküche schlachtete ein Schaf nach muslimischem Ritus, um aus seinem Fleisch die Mahlzeiten für die Gäste zu bereiten.
Es waren zwei kranke, alte Männer, die da einander schließlich gegenübersaßen. Roosevelt war schon seit Jahren durch eine Kinderlähmung an den Rollstuhl gefesselt; niemand ahnte an diesem Tag, dass er keine acht Wochen mehr zu leben hatte. Ibn Saud litt an einer aus seinen Kriegszeiten herrührenden Beinverletzung, die ihm mit zunehmendem Alter zu schaffen machte; er musste sich an Bord der US S Quincy tragen lassen. Vielleicht war das der Grund dafür, dass alle beteiligten Dolmetscher später einhellig der Auffassung waren, die beiden ansonsten so ungleichen Männer hätten sich im Lauf ihres mehrstündigen Gesprächs regelrecht miteinander angefreundet.
Dabei begann das Treffen gleich mit einem Missverständnis. Roosevelt eröffnete die Unterredung, indem er voller Emphase davon sprach, wie technischer und wirtschaftlicher Fortschritt die Wüsten Saudi-Arabiens zum Blühen und Grünen bringen würden. Darauf unterbrach ihn der König respektvoll und erklärte, an Fragen der Wasserversorgung sei er nicht interessiert. Im Übrigen liebe er die Wüste; er sei ein Beduine, und auch wenn der Gedanke, unwirtliche Landstriche urbar zu machen, sicher etwas für sich habe, so müsse doch immer auch ausreichend Platz für Wüsten auf der Welt sein.
Ibn Saud war in der Hoffnung zu diesem Treffen gereist, in den USA einen Verbündeten zu finden, der ihm helfen würde, das Reich zu erhalten, das er im Laufe seines Lebens geschaffen hatte. Der traditionelle politische Partner Saudi-Arabiens waren die Briten, die auch die meisten Lebensmittel lieferten, die das Land importierte. Doch Großbritannien hatte eine lange und dunkle Geschichte als Kolonialmacht und die erwiesene Neigung, sich in regionale Belange einzumischen; er musste befürchten, dass im Fall eines Abkommens mit den Briten sein Reich bald von London aus regiert werden würde. Umgekehrt wusste der saudische König sehr wohl, dass die Amerikaner sich in der Vergangenheit nach Kriegen häufig auf sich selbst zurückgezogen hatten: War auf einen solchen Verbündeten Verlass, oder würde er nach Ende des Kriegs das Interesse an dem fernen Land wieder verlieren?
Roosevelt hingegen war sich der Tatsache vollkommen bewusst, dass unter dem Boden der arabischen Wüsten enorme Ölvorkommen ruhten und dass diesen in absehbarer Zeit eine große strategische Bedeutung zukommen würde. Keinesfalls würden die USA nach dem Krieg das Interesse daran verlieren. Was er anzubieten hatte, waren wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie der militärische Beistand der Vereinigten Staaten von Amerika. Außerdem konnte er dem saudischen König glaubhaft – und, wie die Zukunft zeigen sollte, wahrheitsgemäß – versichern, dass die USA keinerlei territoriale Interessen verfolgten. Das gab den Ausschlag. Hier das Öl, dort die militärische Potenz – ein Bündnis zu gegenseitigem Nutzen bot sich an.
So besiegelten Roosevelt und Ibn Saud an diesem Tag einige Abkommen, von denen zwei weitreichende Konsequenzen haben sollten: Erstens erhielten die USA Zugang zu den saudischen Häfen und das Recht, Militärstützpunkte auf saudischem Territorium anzulegen. Die Lizenz dazu war ursprünglich auf fünf Jahre begrenzt; tatsächlich existieren diese Stützpunkte jedoch bis auf den heutigen Tag. Zweitens bekam die ARAMCO , die Arab American Oil Company , die sich hauptsächlich im Besitz der Standard Oil of California befand,
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