Ausgebrannt - Eschbach, A: Ausgebrannt - Ausgebrannt
Nummer notiert und es wagt, anzurufen.
Taggard erinnert sich, dass er eine ganze Weile dastand wie betäubt. Natürlich, gelesen hat er es. In allen Broschüren und Reiseinformationen zu diesem Land steht es. Frauen müssen verschleiert gehen, dürfen das Haus nur in Begleitung ihres Ehemanns, ihres Bruders, ihres Vaters oder eines Vetters ersten Grades verlassen – und auch dann nur Bereiche aufsuchen, die den Frauen vorbehalten sind. Männer und Frauen leben in Saudi-Arabien strikt getrennt, und hier sieht er die Konsequenz davon: Junge Männer haben keine Chance, Frauen kennen zu lernen. Und in ihrer Verzweiflung versuchen sie es mit diesem Trick, der so hoffnungslos ist, dass man schreien könnte.
Taggard richtet sich auf, legt die Hände vor sich auf den Tisch, nickt verstehend. Das ist es. Die Sauds exportieren ihre Probleme. Das Land quillt über vor jungen, sexuell frustrierten Männern ohne jede Perspektive. Eigentlich sollten diese Menschen gegen ihre Unterdrücker aufbegehren, sollten das Königshaus hassen, sollten revoltieren. Doch die Sauds bringen das Kunststück fertig, diesen Hass von sich weg und auf den Westen, auf die USA zu lenken, was um so atemberaubender ist, da sie es gleichzeitig schaffen, den Westen glauben zu lassen, sie seien seine Verbündeten.
Deshalb ziehen junge Männer, die eigentlich alles hätten, um ein langes, gutes Leben zu führen, in den Krieg gegen Amerika.
Charles W. Taggard nimmt sein abgeschabtes Adressbüchlein zur Hand, blättert darin. Er findet einen Namen. Donald R. Hartfield. Ein ehemaliger Studienkollege, der, wie es heißt, Kontakte zu Regierungsmitgliedern und wichtigen Unternehmensführern pflegt.
Er wird einen Weg finden, seinen Bericht an diesen Mann zu schicken.
Gegenwart
S chon immer hatte es Abu Jabr Faruq hinaus in die Wüste getrieben. Wenn er längere Zeit in der Stadt gelebt hatte, wurde der Drang übermächtig, sich auf den Rücken eines Kamels zu schwingen und hinauszureiten in die glühenden Weiten, in das undurchdringliche Schweigen unter einem vollkommenen, leeren Himmel. Nur dort draußen fühlte er sich seinem Schöpfer wirklich nahe; das lärmende Getriebe einer Stadt war etwas, das die Seele beschmutzte, fand er.
Vielleicht war es auch einfach das Beduinenblut seiner Vorväter, das sich auf diese Weise bemerkbar machte.
Inzwischen war er alt genug, um das Reiten auf einem Kamel beschwerlich zu finden. Trotzdem ritt er lieber, als mit einem Jeep zu fahren und damit den Lärm der Stadt mit sich zu nehmen. In einer Oase etwa hundertfünfzig Kilometer von Riyadh entfernt wartete ein einfaches Zelt auf ihn, in dessen Eingang er sich setzen konnte, um auf die Hand voll kümmerlicher Palmen und die Dünen am Horizont zu schauen, Datteln zu essen und seinen Gedanken nachzuhängen.
Und es gab vieles, worüber er nachzudenken hatte. Seit einiger Zeit plagte ihn ein vages Gefühl, das er nicht zu fassen bekam, obwohl es an seiner Seele nagte wie eine Maus an einem Vorratssack. Ein Gefühl, dass Dinge aus dem Lot gerieten, ja, längst aus dem Lot waren.
Der Menschenauflauf vor dem Krankenhaus beispielsweise. Es war ihm peinlich, Aufsehen erregt zu haben. Die Vorstellung, dass man von ihm denken könne, er habe diese Operation finanziert, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, war ausgesprochen unangenehm.
Doch wenn er in sich hineinhorchte, hatte ihn die Sympathie beglückt, die ihm von den Versammelten entgegengebracht worden war. Auch wenn seine Brüder über seine Aktivitäten spotteten.
Seine Brüder …
Ja. Da saß der Schmerz.
Abu Jabr Faruq war der letzte Sohn König Ibn Sauds. Doch seine Mutter war nur eine Sklavin gewesen; sie hatte den Herrscher in seinen letzten, von Krankheit gezeichneten Lebensjahren gepflegt. Nach seiner Geburt war sie freigelassen und abgefunden worden, aber das hatte ihr nicht genügt: Ihr Leben lang hatte sie darum gekämpft, dass ihr Sohn als Prinz anerkannt wurde. Kein Tag seiner Kindheit, an dem sie ihn nicht ermahnt hatte, sich seiner königlichen Abstammung bewusst zu sein und sich entsprechend zu verhalten. Und ihre Ansprüche an das Benehmen eines Prinzen waren hoch gewesen, unerbittlich hoch.
Sie hatte es noch erlebt, dass er als Prinz akzeptiert wurde, auch wenn ihn bis auf den heutigen Tag nicht alle Verzeichnisse führten. Aber er durfte den Namen Ibn Abdulaziz Al-Saud tragen, erhielt die Apanage eines Prinzen ersten Grades, hatte Zugang zum Palast des Königs.
Nur seine erste Begegnung mit
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