Ausgebremst
Michael Schumacher in die Formel 1 kam.»
Der Finne schüttelte den Kopf.
«Du hast doch immer betont», sagte ich, «wieviel Glück Schumacher hatte, mitten in der Saison in das beste Nachwuchsteam einsteigen zu können.»
Der Finne schüttelte den Kopf.
«Und du hast doch immer bezweifelt», sagte ich, «daß es bei der Verhaftung Gachots in London mit rechten Dingen zugegangen ist.»
Der Finne schüttelte die ganze Zeit den Kopf, als ich ihm die Vorkommnisse rund um Schumachers Formel-1-Debüt im Jahr 1991 ins Gedächtnis rief.
In diesem Jahr spielten sich beim Grand Prix von Belgien in Spa berührende Szenen ab. In der Senke von Eau Rouge, der berühmtesten Kurve der Formel 1, in der 1985 Stefan Bellof ums Leben gekommen war, hatte jemand «FREE GACHOT» auf den Asphalt gepinselt.
Überall entlang der Rennstrecke und im Fahrerlager wurden Flugblätter verteilt und Unterschriften für die Freilassung Bertrand Gachots gesammelt. Ausgerechnet an seinem HeimGrand-Prix konnte der junge belgische Le-Mans-Sieger nicht teilnehmen. Er hatte bis dahin völlig überraschend fünf Punkte auf dem neuen 7Up-Jordan erobert.
Statt dessen saß Bertrand Gachot in einer Londoner Gefängniszelle. Er wurde angeklagt, einen Londoner Taxifahrer mit einer Dose Nervengas angegriffen zu haben. Der Londoner Taxifahrer sagte aus, nach der Attacke Gachots mehrere Minuten lang bewußtlos gewesen zu sein. Gachot bestritt alles, behauptete im Gegenteil, sich nur mit Deospray gegen den Angriff des Taxifahrers gewehrt zu haben.
Gachots Freundin war es, die beim Grand Prix von Belgien die Proteste organisierte. Die französische Sportzeitung L'equipe veranstaltete eine Unterschriftenaktion der Grand-Prix-Piloten. Sogar der irische Premierminister schickte dem Jordan-Team ein Unterstützungstelegramm. Aber vielleicht gilt ein Unterstützungstelegramm des irischen Premierministers bei einem Londoner Gericht ja als zusätzliches Belastungsmaterial. Jedenfalls bewirkten all diese Maßnahmen nichts.
Das Londoner Gericht glaubte nicht dem belgischen Rennfahrer, sondern dem englischen Taxifahrer. Obwohl niemand erklären konnte, aus welchem Grund der Formel-1-Pilot und wohlhabende Sohn eines mächtigen Brüsseler EU-Beamten einen Londoner Taxifahrer mit Nervengas attackieren sollte.
Das Londoner Gericht wertete es als erschwerend, daß Gachot sich nach dem Angriff auf den Taxifahrer in einer filmreifen Flucht in einem Supermarkt verschanzt hatte. Als wäre die Flucht in die Shopping Mall mit Gachots Notwehrbehauptungen nicht ebenso vereinbar wie mit der Darstellung des Taxifahrers. Gachot verbrachte einundsechzig Tage zusammen mit einem Mörder in einer Gefängniszelle von Brixton. Als er in die Formel 1 zurückkehrte, hatte sich sein Ersatzmann längst als die talentierteste Nachwuchshoffnung der letzten zehn Jahre im Formel-1-Business etabliert.
«Du warst es doch», sagte ich zu dem unentwegt seinen Kopf schüttelnden Finnen, «der aus der offiziellen SchumacherBiographie von Schumachers Pressesprecher Timothy Collings eine Seite herausgerissen hat, um sie jedem zu zeigen.»
Auf dieser Buchseite hatte der Finne einen Satz mit gelbem Leuchtstift hervorgehoben: «Gachot schaffte es nicht, aus dem Gefängnis zu kommen, und unvermittelt war Schumacher ein Jordan-Pilot.»
Plötzlich hörte der Finne mit dem Kopfschütteln auf und schrie mich an: «Wach auf! Wo lebst du eigentlich?»
Wo lebte ich damals eigentlich? Ist es normal, siebzehn Jahre lang in einem Wohnmobil durch Europa zu gondeln? Der Finne hatte seine Frage anders gemeint, und er ist dann ja auch endlich mit der Wahrheit herausgerückt. Aber heute, wo ich in Stein lebe, ist es doch diese Frage, wo lebst du eigentlich?, die mir deutlicher und erschreckender im Ohr klingt als die monströse Geschichte über den Tod Liberantes und Steves, die der Finne uns dann auftischte.
Liebe Theresa!
Es freut mich, daß du in deiner neuen Aufgabe so aufgehst. Du hast dich lange genug im Hintergrund gehalten und deinen Mann beim Aufbau der Schönheitsklinik unterstützt. Schließlich hast auch du dein Studium abgeschlossen. (Im Gegensatz zu mir.) In Chemie warst du immer die Beste. Dein Produkt wird bestimmt ein Erfolg. Aber du mußt einen guten Namen dafür finden! Wenn deine Lotion zur Lippenpflege dient (ich wußte gar nicht, daß die feinen Narben, die nach Schönheitsoperationen an den Lippen zurückbleiben, so leicht auswuchern), warum nennst du sie nicht einfach EAU ROUGE? Ich finde, das
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