Ausgeflittert (Gesamtausgabe)
ungestört hingeben.
»Ich war schon ganz verrückt vor Sehnsucht.« Dass er noch nicht einmal meine Stimme hören konnte, hat ihn fast um den Verstand gebracht. »Wo warst du die ganze Zeit? Du warst nie da, wenn ich angerufen habe.« Ich erzähle ihm von Mike und seiner Trauer und von Phillips Bemühen, sich um ihn zu kümmern.
»Außer mir, hat er keinen anderen Menschen an sich herangelassen. Er tut mir so leid.«
Den freien Tag verbringen wir mit einem ausgiebigen Stadtbummel. Wie früher ziehen wir durch Galerien, Museen und Kunstausstellungen. Den Abend verbringen wir in einer stadtbekannten Kneipe und hören den jungen Musikern zu. Tobi gesteht mir, dass ich völlig im Recht war. Statt verzogene Kinder von Neureichen an der Côte herum zu schippern, hätte er lieber bei Frau und Kind bleiben sollen.
»Das ist definitiv meine erste und letzte Saison als Skipper. Für das nächste Jahr engagiere ich jemanden, der Lust auf diesem Höllenjob hat.«
»Der nächste Sommer wird der letzte vor Claras Schulbeginn sein. Danach müssen wir uns an die Ferien halten. Vielleicht denken wir darüber nach, das Boot selbst für eine lange Reise zu nutzen. Wir brauchen deine Einkünfte nicht mehr so dringend. Meine monatlichen Einnahmen aus den Auftritten beim Sender reichen doch völlig aus.«
»Du willst es nicht verstehen, Marie. Ich will nicht von deinem Geld leben. Was glaubst du, was für ein Gefühl das für mich ist? Ich bin nicht dein Loverboy. Ich bin dein Mann! Hast du dich nie gefragt, warum ich damals den Auftrag in New York angenommen habe?« Ich gebe auf. Dieses Männerding werde ich nie begreifen.
Ich habe noch zwei Sendungen vor mir, bis ich mit Tobi gemeinsam nach Hause aufbrechen kann. Vor der Kantine treffe ich auf Clausen.
»Was wolltest du mit mir besprechen?« Ich begleite den Chef vom Sender in sein Büro.
»Es geht um deine grottenhässlichen Bademoden«. Ich setze mich Peer gegenüber und beuge mich zu meiner Handtasche hinunter und suche nach meinem Handy, um ihm die Fotos vom Strand zu zeigen.
»Dass du dich noch bücken kannst, wundert mich.«
»Warum soll ich mich nicht mehr bücken können?«
»Solange, wie dein Mann dich bearbeitet hat, ist diese Frage doch nicht unberechtigt«, lacht er. Ich verstehe kein Wort.
»Ich hab noch nie eine Frau im Bett gehabt, die auf so viele unterschiedliche Arten gestöhnt hat, wie du. Und ich hatte viele! Was stellt er mit dir an? Nun guck nicht so blöd. Ich habe dich im Hotel angerufen und durfte eurem Liebesspiel lauschen. Nach zwei Stunden habe ich aufgelegt.«
»Dann hast du das Beste verpasst!«
»Warum komme ich nicht in den Genuss bei dir?«
»Weil du dir eingestehen solltest, dass du das nicht toppen kannst.« Kopfschüttelnd verlasse ich sein Büro. Meinen Vorschlag werde ich unter diesen Umständen nicht weiter mit ihm besprechen. Und die Fotos von mir im Bikini wird er auch nie zu sehen bekommen.
»Meine nächste Tour geht nach Sardinien. Ich habe mit Julian getauscht. Morgen nehme ich ein Ehepaar mit zwei Kindern an Bord. Wenigstens keine Saufgelage mehr. Aber zwischendurch nach Hause kommen, fällt flach. Drei Wochen, Marie. Nochmal drei Wochen!« Ich blicke ihn wortlos an und drücke seine Hand. Irgendwie werden wir die Zeit schon überstehen.
Um Punkt drei Uhr stelle ich meinen Computer an. Geduldig warte ich, bis Mike sich meldet.
»Du hast nicht gegessen«, poltere ich gleich los. Es ist mir sofort aufgefallen, wie schmal sein Gesicht geworden ist. »Du gehst dir sofort ein Brot machen und isst es, während wir beide sprechen.« Wenn ich meinen mütterlichen Befehlston anschlage, traut sich niemand, mir zu widersprechen. Mike kaut brav vor der Webcam. Er erklärt, dass er keinen Hunger verspürt.
»Ich mag nicht allein essen. Das war schon immer so.«
»Dann essen wir ab morgen zusammen. Du nimmst deine Mittagsmahlzeit ein und ich esse zu Abend mit dir. Wir treffen uns um ein Uhr zu deiner Zeit! Ich stelle mein Notebook auf den Esstisch. Dann kannst du zusammen mit Clara und mir speisen.« Mike schmunzelt und stimmt zu.
»Was essen wir morgen?«, fragt er.
»Magst du Fisch und Salat?« Er nickt. »Dann vergiss nicht, morgen früh einzukaufen. Und für übermorgen, machst du einen Vorschlag!« Ich sehe ihn das erste Mal wieder lächeln.
»Bis morgen.« Danach brechen wir die Videokonferenz ab.
Von nun an, ist Mike
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