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Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition)

Titel: Ausgegeizt!: Wertvoll ist besser - Das Manufactum-Prinzip (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli Burchardt
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richtige Temperatur? – Und all das schmeckt man beim Endprodukt. Es ist nichts anderes als die Kunst, einen guten Wein oder ein hervorragendes Bier herzustellen, wo es ebenso auf tausend Kleinigkeiten ankommt.
    Kennen gelernt habe ich diese Espressomaschine, weil wir bei Manufactum damals überlegten, eine solche Maschine in das Sortiment aufzunehmen. Allerdings hatte sie einen stolzen Verkaufspreis: 3000 D-Mark. Das war ein Wort. Auch bei Manufactum. Zudem bestand der Lieferant auf Abnahme ganzer Paletten. Wir haben gezögert. Aber schließlich haben wir es gewagt, eine Palette mit 64 Maschinen zu ordern. Wir wussten nicht, ob wir sie jemals loskriegen würden. Eine dieser Maschinen aus der ersten Lieferung steht heute bei mir in der Küche. Die anderen waren so schnell weg, dass wir kaum Zeit zum Luftholen hatten. Die Maschinen waren der Renner! Letztendlich haben wir Hunderte dieser traumhaft schönen Espressomaschinen importiert und verkauft.
    So wie ich haben sich also viele Hundert Menschen viele Stunden Zeit genommen, um zu lernen, wie man mit so einer Maschine Kaffee macht. Mit ihr muss man sich nämlich wirklich beschäftigen, sonst kommt nur braunes Wasser unten raus. Das ist in etwa so wie mit einer Spiegelreflexkamera: Hantiert man zum ersten Mal mit ihr herum, kommen grauenhaft schlechte Bilder zustande. Aber wenn man den Bogen raus hat, werden die Ergebnisse viel besser als mit jeder vollautomatischen Knipse. So ist das auch mit meiner Espressomaschine.
    Jeder einzelne Espresso erfordert eigentlich ein Riesentheater und einen erheblichen Zeitaufwand: Aufheizen, viele kleine Handgriffe, Fingerspitzengefühl, und erst die Reinigungsprozedur! Aber hier kommt es eben nicht nur auf das nackte Endergebnis an. Es sind merkwürdige Emotionen im Spiel: Das ganze Handwerk des Espressomachens erfüllt mich jedesmal mit Stolz. Weil so viel Zeit in jede Tasse geflossen ist, kippe ich ihn auch nicht einfach herunter, sondern schmecke bewusst und sensibel jede kleine Nuance heraus: Sorgfalt, Akribie, Kreativität, Inspiration. Es ist wie eine kleine Meditation, ich richte mich nach innen aus, spüre bewusst, was ich tue, schöpfe Kraft.
    Ich frage Sie: Wann waren Sie das letzte Mal stolz, als Sie sich eine Tasse Kaffee gemacht haben? Ich bin das jeden Tag …
    Jeder einzelne Euro, die ich in diese Diva von Espressomaschine gesteckt habe, war es wert. Ein Kauf, bei dem sich eine hohe Investition lohnt, ist preis-wert. Preiswert ist deshalb so viel besser als billig, weil preiswert immer auch ein Erlebnis beinhaltet. Preiswert macht mehr Freude als billig. Das ist bei allen Produkten so: Lebensmittel, Kleidung, Schuhe, Möbel, Elektronikgeräte, Autos.
    Natürlich macht ein Porsche oder ein Land Rover viel mehr Freude als ein Dacia, machen wir uns doch nichts vor. Ein preiswertes Stück Fleisch macht nicht nur beim Essen, sondern auch beim Kochen viel mehr Freude als ein billiges. Der selbst geriebene Parmesan macht mehr Freude und schmeckt anders als der Parmesan aus der Tüte. Die Muskatnuss, die man in den selbst gestampften Kartoffelbrei reibt, macht Freude – die Anrührmischung von Pfanni spart dagegen lediglich Zeit. Und mit der Zeit wird die Freude weggespart.
    Viel Preis, viel Wert

    Eine Kultur der preiswerten Dinge ist beileibe kein Luxus, sie ist lediglich geizfrei. Sie stellt eine emotionale Beziehung zwischen dem Menschen und den ihn umgebenden Dingen her. Dinge, die er braucht und will. Der Mensch verbindet sich mit den Dingen, die er täglich berührt. Das gibt ihm einen Platz in der Welt. Die Verbindungen zwischen Mensch und Kartoffel, zwischen Mensch und Brot, zwischen Mensch und Wasser, aber auch zwischen Mensch und Werkzeug und zwischen Mensch und Maschine sind essenziell, existenziell, sie machen den Menschen zum Menschen. Wir alle brauchen intensive Beziehungen zu den Menschen um uns herum, zu den Dingen, die uns umgeben, zu dem Boden, auf dem wir leben, und zu den Lebensmitteln, die wir zu uns nehmen. Alleine im Internet oder vor dem Fernsehsessel können wir nicht leben, dort verlieren wir uns.
    Wir haben – eingestanden oder nicht – eine riesige Sehnsucht, einen großen Nachholbedarf nach menschlichen »Grundbeziehungen«, weil uns unsere unmittelbare Umgebung fremd geworden ist. Wir kennen den Bauern am Stadtrand nicht mehr persönlich. Dafür haben wir 281 »Freunde« auf Facebook. Wir wissen nicht mehr, wie selbst gestampfter Kartoffelbrei schmeckt. Dafür grasen wir wie die Roboter die

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