Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
angegeben, hauptsächlich im Academia gekocht zu haben, einem der Toplokale in Hamburg. Allerdings kenne ich den Küchenchef dort, Baumann war bloß eine Art Aushängeschild, man hatte ihn dafür bezahlt, dass in Fernsehzeitschriften gestanden ist, er koche im Academia. Es war, glaube ich, schon von vornherein klar, wer dieses Casting gewinnen würde. Der Hauptsponsor hatte sich längst für Baumann und sein Saubermannimage entschieden. Passt eben gut zu Milchprodukten. Ich war eher froh darüber, aber einige andere haben sich entsetzlich aufgeregt. Es hatten sich viele aus der Branche beworben.«
Er sieht Billy an und grinst etwas schief. Hinreißend. Auch wenn er Billys Mann ist, auch wenn ich todmüde und am Boden bin, das stelle ich allemal noch fest.
»Selbst dein ehemaliger Chef war unter den Bewerbern. Als ob man nicht gewusst hätte, was Demetz für Probleme hat.«
Zuckerbrot will mit seinen Leuten abfahren.
»Werden Sie die Sache mit der Hand an die Medien geben?«, frage ich.
»Das lässt sich nicht vermeiden. Ich werde nicht sagen, wo die Hand aufgetaucht ist, aber ob das hält … Außerdem wird es wohl spätestens nächsten Mittwoch im ›Magazin‹ zu lesen sein …«
An diesen Interessenkonflikt habe ich noch gar nicht gedacht. Ich will nicht, dass Billy noch mehr Schwierigkeiten bekommt. Ich muss als Profi schreiben, was ich weiß. Noch dazu, wo es andere auch herausfinden könnten. Wie soll ich mich verhalten? Ich werde nach einigen Stunden Schlaf entscheiden.
»Ich möchte die Lösung, keine weiteren grausigen Rätsel«, sage ich zu Zuckerbrot, »vielleicht sind wir bis Mittwoch so weit, dass uns dieses Detail gar nicht mehr besonders interessiert. Wenn’s geht, lassen Sie bitte den Apfelbaum aus Ihren Presseerklärungen draußen.«
»Kann ich in diesem Fall machen. Aber ich glaube nicht, dass es viel nützen wird.«
Billy sieht mich misstrauisch an. »Wirst du darüber schreiben?«
Ich schüttle den Kopf, antworte aber: »Ich weiß es nicht.«
11.
Baumanns Tod ist das Thema des Tages, die Radionachrichten wiederholen es stündlich als Topmeldung, auch ausländische Fernsehsender bringen sein Bild und einen Nachruf. Baumanns Arbeitgeber zelebriert seinen Tod besonders.
Zuckerbrot hat in der offiziellen Presseerklärung kein Wort über die abgetrennte Hand verloren. Wenigstens ein Zeitgewinn für uns. Die Chance, wieder Tritt zu fassen. An den Schlafmangel habe ich mich beinahe schon gewöhnt. Ich besänftige meine vernachlässigte Katze mit fünf Oliven und einer extragroßen Portion Hühnerknochen, die ich aus dem Apfelbaum mitgebracht habe. Schon auf dem Weg zum Auto telefoniere ich mit Oskar. Die Sache mit der Hand lasse ich weg. Nicht, dass er etwas weitererzählen würde, aber ich will ihn nicht zusätzlich beunruhigen. Wenn er später davon erfährt, kann ich mich immer noch darauf ausreden, dass ich Mobiltelefone für zu wenig abhörsicher halte, um Derartiges zu besprechen. Oskar ist auch so beunruhigt genug, er will nach Wien kommen, fürchtet aber, dass er es nicht schafft. Seine Auftraggeber haben für heute Abend eine Klausur angesetzt, kann gut sein, dass sie morgen Vormittag fortgesetzt wird. Ich komme mir mies vor, als ich aufatme. Natürlich will ich Oskar sehen, und nicht nur sehen. Aber andererseits weiß ich nicht, wie ich meine Reportage, die Arbeit im Wirtshaus, die Nachforschungen und Oskar unter einen Hut bringen sollte.
In der Redaktion lasse ich nur durchblicken, dass ich interessante Neuigkeiten habe. Ich hoffe, bis zum Montag ergibt sich mehr als eine Geschichte über eine halb faschierte Hand. Zum Glück nimmt mir die Ressortleiterin die Überarbeitung der Modereportage ab. Bevor ich mich zum Apfelbaum aufmache, fahre ich noch auf einen Sprung ins Rosa Flieder. Wieder ist die Eingangstür offen, wieder strömt mir abgestandener Rauch entgegen. Kann auch nicht gut für die Geschmacksnerven der Kochgrößen sein.
Frau Flieder trägt heute einen hellblauen Jogginganzug, er glänzt wie ihr lilafarbener. »Ganz schlimm ist das«, klagt sie. »Wen werden sie als Nächstes umbringen? Da hat es jemand auf die ganze Branche abgesehen. Das sagen meine Stammgäste auch. Um drei in der Früh ist es in den Nachrichten gekommen, ich habe es beim Gläserspülen zufällig gehört. Da waren noch ein paar von den Standhaften da. Sie können sich vorstellen, was dann los war.«
»Hatte Baumann Feinde?«
»Der war so nett, dass er deswegen auch schon wieder Feinde gehabt
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