Ausgelacht
das Blut ins Gesicht. Mit zwei Schritten war sie bei Moni und riss ihr die Karte aus der Hand. «Wie kommst du dazu, in meinen Privatangelegenheiten herumzuschnüffeln?»
«Ich hab nicht geschnüffelt, ich habe nur prüfen lassen. Und da ist es von Vorteil, wenn man jemanden kennt, der bei einer Bank arbeitet.»
«Das dürfen die gar nicht weitergeben. Das fällt doch unter den Datenschutz und das Bankgeheimnis.»
«Wie auch immer, ich weiß es. Und du kannst jetzt kein Geld mehr kriegen. Wie man so hört, haben deine Eltern massive Probleme. Also miteinander und finanziell.»
Das wurde ja immer besser.
«Das geht dich einen Scheißdreck an.»
«Ach, jetzt werden wir auch noch vulgär. Soll ich dir mal was sagen? Du hast es so verdient! Eigentlich müsstest du mal putzen gehen. Nein, nach Sibirien in ein Arbeitslager sollte man dich schicken. Du bist die arroganteste, blödeste Zicke, die mir je über den Weg gelaufen ist. Hoffentlich fällst du mal so richtig auf deinen blöden Hintern!»
Da machte Britt etwas, was sie noch nie getan hatte. Sie holte aus und gab der Moni eine Ohrfeige.
Eine Sekunde später hatte die Moni sich auf sie gestürzt, beide flogen auf den Asphalt und wälzten sich Richtung Fahrbahnmitte.
«Das hast du nicht umsonst gemacht!», kreischte die Moni und zerrte Britt an den Haaren. «Das zahl ich dir heim, du miese Kuh!»
«Ja, mach doch.» Britt, die unter der Moni lag, wehrte sich nach Leibeskräften und versuchte, einen Finger ins Auge von der Moni zu bohren. Damit konnte man angeblich seinen Gegner schachmatt setzen.
Keine von ihnen bemerkte das Auto, das angefahren kam.
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neunzehn
«Ja, seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?» Doktor Rosenberg stand da und schüttelte den Kopf. «Man legt sich doch nicht mitten auf die Straße. Angenommen, ein halb blinder Rentner wäre hier entlanggefahren, der hätte bestimmt nicht so umsichtig und spontan reagiert wie ich.»
«Sie haben überhaupt nicht spontan reagiert, weil sie wie eine Schnecke gefahren sind», sagte die Moni. «Das wiederum liegt daran, dass Sie kaum noch was sehen. Also kommen Sie mir nicht mit Rentner.»
«Was ist denn das für ein Ton?» Doktor Rosenberg war pikiert.
«Entschuldigen Sie bitte. Ist mir so rausgerutscht», sagte die Moni. «Ich bin gerade ein bisschen durch den Wind.» Sie waren mittlerweile aufgestanden und klopften sich den Straßenstaub von den Klamotten.
«Seitdem Sie hier sind, gute Frau, passieren ja so einige Dinge, die vorher nicht passiert sind», ließ Doktor Rosenberg Britt wissen. «Seit dem heutigen Zeitungsbericht, der dem Ganzen die Krone aufsetzt, ist alles noch mal schlimmer geworden. Die ganze Stadt redet über Sie. Und nicht gut, falls Sie verstehen, was ich meine. Mit Verlaub gesagt kann ich die Leute auch verstehen. Man geht nicht einfach zu einer übergewichtigen Frau hin und beleidigt sie. Das tut man einfach nicht. Das gehört sich nicht. Das hat keinen Stil. Ist es das, was Sie wollen? Dass die Leute denken, Sie haben überhaupt kein Benehmen? Oder haben Sie wirklich keins?»
Britt sah ihn an, und ihr wurde zum ersten Mal überhaupt bewusst, dass dieser Mann recht haben könnte. War es okay, so zu sein, wie sie war? Wäre es nicht angebracht, mal ein paar Gänge zurückzuschalten, andere nicht ständig anzuzicken, liebenswerter zu sein?
Nein. Darüber konnte sie sich jetzt nicht auch noch Gedanken machen.
«Behalten Sie Ihre weisen Worte doch für sich.» Sie drehte sich um und ging Richtung Parkstraße davon. Konnten diese Nauheimer sie nicht einfach mal in Ruhe lassen?
Ein paar Minuten später erreichte sie die Fußgängerzone und ging mit gesenktem Kopf weiter. Trotzdem wusste sie, dass die blöden Bad Nauheimer sie anglotzten.
Und dann stand sie plötzlich vor dem Antiquariat und klingelte, ohne weiter darüber nachzudenken.
Frau Winkler öffnete die Tür und zog die Augenbrauen hoch. «Ach», sagte sie nur, und Britt hatte schon Angst, dass sie ihr die Tür wieder vor der Nase zuknallen würde, aber Frau Winkler trat zur Seite und ließ sie rein.
Sie folgte ihr nach rechts in ihr Büro, in dem natürlich auch deckenhohe Regale mit Büchern standen und setzte sich auf ihren Drehstuhl.
«Na, in Ihrer Haut will ich aber nicht stecken», sagte sie. «Arme Kleine.»
In diesem Moment fing Britt an zu heulen.
***
«Gott, ist mir das peinlich», schluchzte Britt und öffnete eine neue Packung mit Papiertaschentüchern.
Frau
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