Ausgeliebt
aus, lief um sein Auto und öffnete mir übertrieben
galant die Tür.
»Kommen Sie, Frau Pandabärin, wir hauen uns ein paar Eukalyptus rein und trinken dazu ein Fass Rotwein.«
Stimmengewirr und der Duft von Knoblauch und Käse schlugen uns im Eingang entgegen.
Ein gut gelaunter Kellner führte uns zu einem Tisch im Wintergarten, wo die Geräuschkulisse und die Temperatur erträglich
waren.
Während wir Prosecco tranken und das Essen aussuchten, redeten wir über unsere Eltern, über Maike, Georg und Ines.
Ich entspannte mich in der Atmosphäre dieses Wintergartens mit Blick aufs Meer und in Jens’ Gegenwart. Fast hatte ich vergessen,
dass ich vor ein paar Stunden mit Bernd und Hans-Hermann Leichenfledderei betrieben hatte.
Als hätte Jens meine Gedanken gelesen, sah er mich fragend an: »Deine Mutter hat vorhin erzählt, dass du heute morgen mit
Bernd die Finanzen geregelt hast. Ist denn jetzt alles in Ordnung?«
»Ich hoffe, ehrlich gesagt war ich nicht so super konzentriert bei dem Gespräch. Ich hasse so was ja und dann noch Bernd …«
Ich erzählte kurz den Verlauf und das Ergebnis.
Jens hörte aufmerksam zu, gab aus seiner Erfahrung als Bankkaufmann Kommentare und Erklärungen ab.
|63| Als der erste halbe Liter Rotwein mit der Vorspeise kam, hatte ich ihm die Kurzversion der letzten Monate erzählt.
Er sah mich mitfühlend an.
»Wie geht es dir dabei?«
Ich dachte über meine Antwort nach.
»Ich weiß es nicht. Manchmal denke ich, dass alles gut ist. Wohnung in Hamburg, tolle Menschen um mich rum und der Sommer
geht erst los. Und eine halbe Stunde später sitze ich allein auf meinem Balkon und kriege das heulende Elend. Ich darf nicht
an Bernd und Antje denken, das zerreißt mich. Ich habe Heimweh nach meinem alten vertrauten Leben.
In drei Wochen gehen meine Termine erst wieder los, bis dahin kriege ich überhaupt noch keinen Alltag hin. Und habe viel zu
viel Zeit nachzudenken.«
Jens streichelte kurz meine Hand.
»Du hast schon so viel hinbekommen. Genieß diese drei Wochen, nimm sie zum Einleben und Ankommen. Gib dir doch ein bisschen
Zeit. Andere brauchen Jahre, um nach so einer Trennung wieder auf die Füße zu kommen, du hast das alles in drei Monaten geschafft.«
»Das sage ich mir auch dauernd. Trotzdem tut es weh.«
»Ich kenne Bernd nicht besonders gut, er war ja in den letzten Jahren nur ein paarmal mit, aber irgendwie hatte ich nie das
Gefühl, dass deine Beziehung die große Liebesgeschichte war. Ich fand auch nicht, dass er richtig gut zu dir passte.«
Ich sah Jens an und dachte darüber nach. Es war eigenartig. Bernd und ich hatten zwölf Jahre zusammen verbracht. Niemand hatte
mich je gefragt, ob es eine große Liebesgeschichte war. Keiner hatte Bernd kritisiert. Jetzt wollten es alle gewusst haben.
Bevor ich antworten konnte, kamen das Essen und der zweite halbe Liter Wein.
Jens hob sein Glas.
»Ich trinke auf dich. Ich weiß, dass jetzt alles besser wird. Prost, Christine, du hast übrigens noch nie so gut ausgesehen.«
|64| Es war etwas in seinem Blick, das mich irritierte.
»Danke, Jens. Und jetzt will ich über was anderes reden. Wie geht es dir?«
Er trank und stellte sein Glas ab.
»Wie soll es mir gehen? Es läuft alles nach Plan. Die Kinder sind gut drauf, pubertieren verhalten und erträglich, mein Job
ist o.k. und mit Silke, na ja, das Übliche. Sie ist nicht der einfachste Mensch, ich habe mich damit abgefunden.«
»Was heißt das denn?«
»Unsere Beziehung ist oft sehr anstrengend, dann geht es wieder und ist ganz gut. Je nachdem, wie die Gnädigste gestimmt ist.
Im Moment ist es wieder mal die anstrengende Phase, ich war ganz froh, mal eine Woche wegzukommen. Morgen Abend bin ich wieder
zurück, dann wird ein bisschen gestritten, und dann kommt die Zeit, wo alle so tun, als wäre es gut. Wie es eben so geht.«
»Was meinst du damit?«
»Der tägliche Ehewahnsinn. So ein Beispiel: Silke wollte im Dezember Skilaufen, irgendwo in der Schweiz, wo Freunde von uns
hinwollten. Ich arbeite aber seit fünfzehn Jahren in einer Bank. Keiner von den Abteilungsleitern kann wegen der Jahresabschlüsse
im Dezember Urlaub machen. Das könnte sie nach all den Jahren auch wissen. Nein, sie bucht trotzdem. Ohne Rücktrittsversicherung.
Ich habe ihr also vorgeschlagen, eine Freundin mitzunehmen.
Das hat sie zwar getan, kam aber mit einer Dreckslaune wieder, weil es angeblich ein furchtbarer Urlaub war. Vierzehn Tage
später haben
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