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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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nicht mehr gesehen, er war am nächsten Tag früh zurück nach Berlin gefahren.
    Es gab keine Anrufe, keine SMS, ich hatte das vermutet und gehofft.
    Ich dachte liebevoll an diesen Abend, der sich nicht wiederholen ließ. Jens hatte etwas von mir freigelegt, das seit Monaten
     verschüttet war.
    Dabei ging es nicht um ihn oder mich, es ging um eine Stimmung, die wir beide lange nicht mehr erlebt hatten.
    Ich wollte sie wieder erleben, mit wem auch immer.
     
    Auf meinem Ellenbogen und Knie hatte sich dunkelroter Schorf gebildet.
    Meine Mutter entdeckte es nach zwei Tagen und hielt meinen Arm fest.
    »Meine Güte, wie hast du das denn hingekriegt? So etwas hattest du früher nach dem Rollschuhlaufen.«
    Ich betrachtete beide Abschürfungen und sah uns wieder im Strandkorb liegen.
    »Da habe ich mich in der Kneipe gestoßen.«
    Meine Mutter sah mich skeptisch an.
    »Was ist denn daran komisch? Und das sieht doch aus wie abgescheuert.«
    »Wieso? Hab ich gelacht?«
    »Ja, ich finde   …«
    Der Klingelton meines Handys rettete mich.
    |72| »Tut mir leid, Mama, das ist Leonie.«
    »Hallo, Christine, du hörst dich ja bestens gelaunt an. Bist du auf Sylt? Ich habe es schon bei dir zu Hause versucht, habe
     mir aber gedacht, dass du bei dem Wetter hochgefahren bist.«
    Ich erzählte von den letzten Tagen, ließ den Abend mit Jens allerdings mit dem Bezahlen des Essens enden.
    Leonie hatte Instinkt.
    »Wäre das kein Typ für dich? Ich habe mal vor Jahren einen Film gesehen, da hat die Freundin der Protagonistin, die gerade
     von ihrem Mann verlassen wurde, einen Zettel an den Kühlschrank geklebt. Das waren nur die Zahlen eins bis zwölf untereinander.
     Für jede Zahl sollte sie sich einen Liebhaber suchen, wenn zwölf Namen dastünden, wäre sie mit dem Liebeskummer durch. Ich
     fand das einleuchtend.«
    Ist es auch, dachte ich, mit dem Gedanken an meine erste Nummer.
    »Leonie, soll ich so eine Liste anlegen? Rufst du mich deswegen an?«
    Sie lachte.
    »Nein, das fiel mir nur gerade ein. Ich wollte dich daran erinnern, dass morgen Abend Stammtisch ist. Judith hat einen Tisch
     beim Italiener bestellt um 20   Uhr. Ich kann dich eine halbe Stunde vorher abholen. Du kommst doch, oder?«
    »Das habe ich völlig vergessen. Stimmt ja, das ist morgen. Dann fahre ich morgen früh hier los. Es wäre schön, wenn du mich
     abholst.«
    Wir verabschiedeten uns.
     
    Meine Mutter legte die Zeitung weg.
    »Musst du zurück?«
    »Morgen früh. Wir haben doch seit fünf Jahren einen Stammtisch der Bücherfrauen. Zwei Wochen, bevor sich alle wieder allein
     in die Autos setzen, um die Tour anzufangen, treffen wir uns in Hamburg zum Essen. Und das ist morgen Abend. Hatte ich schon
     wieder total vergessen.«
    |73| »Wie viele Leute seid ihr denn da?«
    »Zwischen fünf und zehn, je nachdem, wer Zeit und Lust hat. Früher habe ich bei Ines übernachtet, ich war aber von Anfang
     an dabei.«
    »Guck mal, und danach kannst du jetzt nach Hause gehen. Das ist schon gut, dass du jetzt in Hamburg wohnst, oder nicht?«
    »Doch«, ich lächelte sie an, »das ist sehr gut.«
     
    Als mich der Zug am nächsten Tag über den Hindenburgdamm brachte, diesmal in die andere Richtung, dachte ich an meine Stimmung während der Hinfahrt. Es schien lange her.
    Edith sagte:
»Jetzt mal langsam. Nur weil du einmal Sex am Strand hattest, bist du noch lange nicht mit allem durch.«
    Charlotte war schnell.
    »Es war nicht einfach Sex am Strand, es war sogar toll. Und das war erst der Vorgeschmack auf das, was noch alles kommt. Die
     Zeiten ohne Zärtlichkeiten, die Zeiten der Zurückweisun
gen
und Enttäuschungen sind vorbei.«
    Ja, dachte ich, das nehme ich mir wenigstens vor. Und der Name Jens steht hinter der Eins auf der Liste.
     
    Als ich in meine Straße in Hamburg einbog, hatte ich gute Laune und fühlte mich willkommen.
    Am Abend stand ich vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen sollte.
    Ich schob einen Bügel nach dem anderen zur Seite und wurde immer unzufriedener. Alles alte Klamotten. Dorotheas Anzug war
     nur eine Leihgabe gewesen, ich hatte ihn nachmittags noch in die Reinigung gebracht. Es blieb die Kombination Jeans, T-Shirt , schwarzer Blazer, die übliche Vertreteruniform.
    Ich hielt den Blazer hoch und suchte ihn nach Flecken ab.
    Bernd war dabei gewesen, als ich diese Jacke in einer kleinen Boutique in Bremen gekauft hatte. Das war noch nicht einmal
     ein halbes Jahr her.
    |74| Ich hatte mir vorgenommen, zum

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