Ausgeliebt
diese Freunde mir die Urlaubsfotos gezeigt. Mittendrin stets meine Gattin, bestens gelaunt im Schnee und in den
Kneipen.
Ich bekam bis Januar die kalte Schulter gezeigt, weil ich ja nie Rücksicht auf sie nehme. Es geht auch um alltägliche Dinge,
entweder ich folge ihr oder sie straft ab.«
»Das klingt grauenvoll.«
»Ich denke nicht darüber nach. Eigentlich will ich so was |65| auch gar nicht erzählen. Ich ziehe die Geschichte durch, fertig. Vielleicht habe ich irgendwann mal Glück, und Silke verliebt
sich. In einen Typen, der ihr alles bietet und der sie ganz für sich haben will.«
Beim letzten Satz lächelte er leicht.
»Dann fahre ich sie sofort da hin.«
»Jens, seit wann ist das denn so?«
»Ach, schon länger. Schluss mit den Beziehungskisten. Wir reden nur noch über Heizungskeller, schwule Friseure und Pandabären.
Mein Auto lasse ich übrigens stehen, wir können uns also sinnlos betrinken und nachher am Strand entlang nach Westerland zum
Taxistand laufen. Ist das gut?«
Er hatte etwas Liebenswertes. Und er war witzig. Er tat mir gut.
Wir schafften es, das Thema zu wechseln. Über unsere gemeinsamen Kindheitssommer kamen wir auf immer neue Themen. Abwechselnd
erzählten wir uns alberne Geschichten, lachten zwischendurch so, dass Jens einen Schluckauf bekam.
Ich erinnerte mich daran, dass seine Schwester Maike als Kind so unbeholfen war.
»Kannst du dich noch an das Theater mit dem Etagenbett erinnern?«
Jens dachte kurz nach, fing an zu lachen.
»Meinst du den Streit zwischen Ines und Maike, wer oben schlafen darf?«
»Deine Mutter Hanna hat den Streit angefangen. Ines bekam dieses Etagenbett zum zehnten Geburtstag und wollte, dass Maike
bei ihr übernachtet. Sie war ganz großzügig und hat Maike als Gast das obere, das bessere Bett also, angeboten.«
Jens hatte es vergessen und fragte: »Und dann?«
»Dann hat sich Hanna eingeschaltet. Maike hat sich doch dauernd mit ihrer tollpatschigen Art verletzt, aus der Sandkiste gefallen,
mit dem Fahrrad gestürzt, sich am Strand die Schaufel in den Fuß gerammt, alles was ging. Meine Mutter und Hanna |66| haben dann den ganzen Abend mit Puppen und Teddys demonstriert, wie leicht man aus dem oberen Bett fällt. Erst hat Maike geheult,
dann Ines, dann beide, bis Maike schließlich doch unten schlief. Mit Matratze vor dem Bett, falls Ines vor lauter Aufregung
abstürzt.«
»Genau, und dann ist aber doch irgendwas passiert.«
»Maike ist aus dem unteren Bett gefallen und hat sich das Schlüsselbein gebrochen.«
Jens lachte laut auf.
»Mit Matratze?«
»Na klar, sie fiel doch daneben.«
Uns fielen noch mehr Geschichten ein. Und wir tranken immer mehr Wein.
Mir war warm. Es war mir früher nie aufgefallen, dass er so blaue Augen hatte.
Und so schöne Hände.
Ediths Stimme kam prompt.
»Du hast ihn früher auch nie so angestarrt. Denk an seine kleine blau-weiß gestreifte Badehose!«
Charlotte antwortete.
»Er ist ein guter Typ. Er hat Interesse. Er fährt morgen wieder. Es ist schön mit ihm.«
Ich hörte den beiden zu und sah dabei auf Jens’ Hände. Schöne Hände. Ich hatte seit acht Monaten keinen Sex mehr gehabt. Und
trug scharfe, rote Unterwäsche.
»Christine, hallo, bist du noch da?«
Ertappt sah ich auf. Sehr blaue Augen. Wenn er lächelte, hatte er auf der linken Seite ein Grübchen. Ich fühlte mich betrunken.
»Entschuldige, ich war in Gedanken. Was hast du gesagt?«
Seine schöne Hand lag auf meiner. »Du bist süß, wenn du in Gedanken bist.«
Kribbeln im Bauch.
|67| »Ich sagte, ich bezahle jetzt und dann gehen wir zum Strand. Und dann sehen wir mal.«
Herzflattern.
Ediths Stimme:
»Bist du bescheuert? Das hier ist Jens.«
Charlotte:
»Das wird schön.«
Ich schüttelte beide ab und sah Jens an. Meine Hand drehte sich von selbst, mein Daumen verschränkte sich mit seinem kleinen
Finger.
»Gute Idee.«
Er lächelte, strich mit seinem Daumen langsam über meine Hand. Unentwegt sah er mich an.
Plötzlich stand der Kellner neben uns. Jens hielt meine Hand fest, zog seine Brieftasche aus der Jeans und schaffte es, einhändig
zu bezahlen und das Wechselgeld einzustecken.
Wir standen auf, ich fühlte mich wie ferngesteuert, als ich in Richtung Ausgang ging.
Ich spürte Jens hinter mir gehen, an einer engen Stelle im Gang mussten wir stehen bleiben.
Ich spürte Jens’ Hand über meine Hüfte streichen. Und gleich darauf die Gänsehaut.
Ohne zu reden liefen wir
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