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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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blonden glatten Haare ordentlich zum Zopf
     geflochten, trug einen grauen Hosenanzug mit weißer Bluse. Der Nagellack passte zum Lippenstift, die Schuhe zur Handtasche.
    Sie wischte Krümel von dem Stuhl, der neben Maren stand, und setzte sich. Mit ihrem freundlichen Blick sah sie in die Runde.
    »Na, Mädels, alles klar?«
    »Einigermaßen.« Franziska sah sie ernst an. »Ich hatte nur gehofft, dass du dich ein bisschen nett zurechtmachst, wenn wir
     uns mal treffen.«
    |77| Nina sah erschrocken aus. »Aber wieso? Was   …«
    Maren stieß Franziska an und schluckte ihr Lachen runter. »Nina, hör nicht auf das Lästermaul, ihre Scherze werden immer schlechter,
     je länger sie zu Hause ist. Es wird Zeit, dass die Termine wieder anfangen.«
     
    Nina war erst seit drei Jahren Vertreterin, hatte vorher in einer Buchhandlung gearbeitet. Als sie das erste Mal der Einladung
     zum Stammtisch gefolgt war, hatte sie uns erzählt, dass sie nach ihrer Scheidung in den Außendienst gewechselt war, weil sie
     ein neues Leben wollte.
    Sie wohnte auch in Hamburg, hatte einen Hund und ging im Urlaub tauchen, das war auch schon alles, was ich privat über sie
     wusste.
    Ich hatte in den letzten Monaten ab und zu an sie gedacht. Sie hatte ihr Leben im Griff, war immer freundlich und gelassen.
     Ich hatte überlegt, sie anzurufen, um mich mal mit ihr zu treffen, zu hören, wie es ihr mit ihrer Trennung ging. Sie war die
     einzige der Kolleginnen, die alleine lebte, wenn man von ihrem Hund absah. Als ich ihre Telefonnummer rausgesucht hatte, verließ
     mich der Mut. Sie wirkte so erwachsen, für sie war es sicher unvorstellbar, dass man an einem Antrag für ein Postfach scheitern
     könnte.
    Als ich hochschaute, spürte ich Ninas Blick. Sie sah mich an, ich sah zurück. Bevor sie was sagen konnte, brachte Ankes Ankunft
     Unruhe in den Raum.
    Sie war ein hektischer Mensch mit lauter Stimme und hastigen Bewegungen. Noch während sie uns begrüßte, zog sie umständlich
     ihre Jacke aus. Ohne hinzusehen versuchte sie sie auf den Garderobenständer zu hängen, der dabei umfiel. Maren und Nina standen
     auf, um zu helfen, Anke entschuldigte sich wortreich, strich ihren sehr kurzen engen Rock glatt und setzte sich. Der tief
     ausgeschnittene Pullover spannte über ihrer Brust. Ihre Haare standen wirr in alle Richtungen, kaum gebändigt von unzähligen
     bunten Haarspangen.
    |78| Sie lachte zu laut, sah unruhig in die Runde, vergewisserte sich unserer Aufmerksamkeit.
    »Entschuldigt, ich musste so hetzten, das Taxi kam nicht, dann waren meine Schuhe weg, ich sagte noch, Werner, wo hast du
     die bloß wieder hingestellt, der spricht aber mal wieder nicht mit mir.«
    Franziska beugte sich zu mir und flüsterte, »O Gott, keine Werner-Geschichte, bitte, und beim nächsten Mal kaufen wir ihr
     die Klamotte zwei Nummern größer, dann geht es.«
    Ich nickte.
    Ankes Mann Werner war zwanzig Jahre älter als sie und Verlagsleiter einer großen Zeitung. Ich hatte die beiden einmal zusammen
     auf der Buchmesse getroffen. Werner behandelte seine Frau wie ein Kind, gab ihr Anweisungen und unterbrach sie, um ihr dann
     wohlwollend den Hintern zu tätscheln.
    Anke gab dafür sein Geld aus und schlief mit ihren oder seinen Kollegen.
    Sie hatte die Angewohnheit, ihre Erlebnisse und ihre Eheprobleme laut und indiskret in großer Runde zu erzählen.
    Jetzt sah sie sich nach der Bedienung um, rief laut nach Prosecco.
    Leonie sah mich an und zog ihre Augenbrauen hoch.
    Franziska holte Luft, doch bevor sie etwas sagen konnte, kamen Eva und Judith um die Ecke.
    Eva und ihr Mann besaßen eine Buchhandlung, sie lebten mit ihren beiden Kindern in einem Vorort von Hamburg. Jede von uns
     besuchte sie beruflich und mochte sie.
    Judith war vor kurzem fünfzig geworden, sie reiste seit sechsundzwanzig Jahren durch die norddeutschen Buchhandlungen. Sie
     hatte einen Kollegen geheiratet, beide waren engagiert, ihr Freundeskreis bestand ausschließlich aus Verlegern, Autoren und
     Presseleuten.
    Ihre Ferien verbrachten sie in der Toskana, sie lasen beide unentwegt, tranken ausschließlich italienische Weine und rauchten
     Kette.
    |79| Eva setzte sich schwer atmend hin.
    »Judith hat mich so pünktlich abgeholt, und dann machte mein Zuckerkind Theater. Judith sollte vorlesen, sonst wären wir früher
     gekommen.«
    Judith bezeichnete Evas Kinder als ihre Leihkinder, sie hing an ihnen.
    Plötzlich fielen mir Antjes Kinder ein.
    An ihnen hing ich auch. Früher.
    Ich

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