Ausgeliebt
Weihnachtsmarkt nach Bremen zu fahren und Geschenke für Antjes Kinder zu kaufen. Bernd hatte
zu solchen Einkaufsaktionen noch nie Lust gehabt, deshalb überraschte es mich, dass er mitwollte. Er war entspannt, erzählte
witzige Geschichten aus seiner Firma, bemühte sich richtig um mich. Auf dem Weihnachtsmarkt bestellten wir uns Glühwein und
Bratwurst, beobachteten die Leute und freuten uns über den einsetzenden Schnee. Als Bernd kalte Ohren bekam, kaufte er sich
eine Nikolausmütze aus Filz, die er den ganzen Tag nicht mehr abnahm. Ich fand das komisch. Wir bummelten durch die Bremer
Innenstadt, ich fand für die Kinder und für Antje die passenden Geschenke, abends gingen wir noch in einer Kneipe essen. Irgendwann
mussten wir los, weil das Parkhaus schloss.
Als wir im Auto saßen, entdeckte Bernd vor seinem Sitz sein Handy, das ihm auf der Hinfahrt aus der Jackentasche gerutscht
war. Es waren neun Anrufe in Abwesenheit registriert.
Schlagartig verschwand seine fröhliche Stimmung. Ich verstand seinen Unmut nicht, machte irgendwelche Witze, um ihn zu besänftigen.
Er murmelte etwas von wichtigen Kunden, die er jetzt nicht mehr anrufen könnte. An der nächsten Tankstelle bog er ab und ging
für zehn Minuten zur Toilette. Als er wiederkam, hatte er sich beruhigt, blieb aber ziemlich schweigsam.
Ich war so naiv gewesen. Er hatte sicher gesehen, wer ihn neunmal angerufen hatte, die Dame hatte ihm auf der Toilette wohl
die Hölle heiß gemacht. Mein Weihnachtsgeschenk hatte sie danach trotzdem einkassiert.
Ich schüttelte die Gedanken ab und zog den Blazer an. Es war egal, jedes Kleidungsstück kam aus dem alten Leben. Ich musste
dringend einkaufen gehen, am besten in Begleitung von Dorothea.
Es klingelte an der Haustür, Leonie kam etwas zu früh und mit einem Strauß Blumen.
|75| Ich ließ sie eintreten. »Für wen sind denn die Blumen, hatte eine der Damen Geburtstag?«
»Nein, die sind für dich, Christine.« Sie sah sich in der Wohnung um.
»Das ist ja alles schon fertig eingerichtet, du hast ja ordentlich gewühlt, sieht super aus.«
»Und für was sind die Blumen? Weil du mich abholen darfst?«
»Nein, nur so, fürs neue Leben, für die Seele und weil Sommer ist. Einfach so.«
Sie musterte mich.
»Du bist braun geworden, siehst besser aus, nicht mehr so grau und ausgekotzt.«
Ich lachte, sie war erfrischend direkt.
»Danke, mir geht es auch besser, ich stelle die Blumen ins Wasser, dann können wir los.«
Im Auto erzählte Leonie, wer alles kommen würde und was es an neuen Gerüchten gab. Besonders über die Kolleginnen, die abgesagt
hatten.
Außer Leonie kannte ich keine der anderen besonders gut. Ich wusste zwar viel über ihre beruflichen Fähigkeiten und Laufbahnen,
privat kannte ich sie kaum.
Dazu war ich mit meinem Wohnort auf dem Land zu weit entfernt gewesen, spontane Treffen mit Kollegen waren kaum möglich.
Als wir in dem Restaurant ankamen, saßen bereits Maren und Franziska am Tisch. Sie traten meistens zusammen auf. Beide arbeiteten
schon lange im Außendienst und hatten sich nie mit einsamen Hotelnächten abfinden können. Also koordinierten sie ihre Termine
seit Jahren und reisten gemeinsam. Sie waren ein eingespieltes Team, das nur durch die jeweiligen Ehemänner ausgebremst wurde.
Die Herren konnten sich nicht leiden, der Versuch eines Wochenendes zu viert endete im Desaster.
|76| Die beiden hatten es locker genommen und beschränkten ihre Treffen auf die Reisezeit. Maren war groß, blond, fröhlich, mit
lauter Stimme und noch lauterem Lachen. Franziska hatte etwas Herbes, Leonie fand sie respektlos, zynisch und bissig.
Ich fand sie erfrischend, ich beneidete die beiden um ihre Gemeinsamkeit.
Wir setzten uns dazu. Maren sah mich an. »Du siehst verändert aus.«
»Ich habe einen neuen Friseur.«
Franziska nickte anerkennend. »Schick, der Friseur ist bestimmt schwul.«
Ich war verblüfft. »Wie kommst du da drauf?«
Sie lachte, schob mit übertriebener Geste ihre Haare hoch und zitierte Loriot. »Guck mal, Frau Tietze, das ist doch mal was
anderes.«
Maren sah von ihr zu mir und lachte. »Stimmt, ihr beide habt den gleichen Haarschnitt.«
Franziska beugte sich vertrauensvoll zu mir. »Weißt du, Schätzchen, so schneiden sie am liebsten, aber ich sag dir was, das
sitzt.«
»Guten Abend, man kann Maren schon von draußen lachen hören.«
Nina war dazugekommen, wie immer sehr gepflegt und gut angezogen. Sie hatte ihre
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