Ausgeliebt
erfolgreich und charmant waren, polarisierten.
Wer Luise kennen lernte, war entweder hingerissen oder eingeschüchtert. Ich gehörte zur zweiten Fraktion.
Ich hatte sie einmal in einer Buchhandlung erlebt. Sie war noch nicht fertig, ich kam zu früh, und während ich wartete, beobachtete
ich sie.
Luise saß, umringt von vier Buchhändlern, in der Besprechungsecke. Sie redete mit ihrer Synchronstimme über ihre Bücher, untermalte
ihre Geschichten mit eleganten Handbewegungen, fixierte jeden ihrer Zuhörer mit ihren grünen Augen. Ihr Publikum hing an ihren
Lippen und bestellte mit Hingabe.
Als sie ihr Programm durchhatte, bedankte sie sich mit Handschlag und Lächeln bei jedem, winkte mir zu und schwebte aus dem
Laden.
Alle Blicke folgten ihr.
Einer der Einkäufer wandte sich mir zu und sagte: »Was für eine zauberhafte Person.«
Ich schwieg.
Mit einem Blick auf seine Uhr wurde sein Ausdruck geschäftig. »So spät schon, dann wollen wir beide mal arbeiten, wir müssen
auf die Tube drücken, aber Sie sind ja schnell.«
Von Luises Zauber war in der anschließenden Arbeitsatmosphäre keine Spur mehr.
Neben ihr kam man sich langweilig und unzureichend vor, ich hatte keine Lust, mich so zu fühlen. Ich überlegte kurz, wegen
Übelkeit abzusagen und umzukehren.
Die Bahn hielt am Hauptbahnhof.
|86| Charlotte überredete mich.
»
Denk mal dran, wie du vor einem halben Jahr warst, jetzt trägst du Designerklamotten und bist Großstadtsingle. Also los.«
Ich streckte meinen Rücken durch und stieg aus.
Ich bleibe zwei Stunden und erzähle nichts Privates, dachte ich und ging in Richtung Rolltreppe.
Als ich nur noch wenige Meter vom »Cox« entfernt war, hörte ich hinter mir eine Stimme.
»Christine, warte.«
Unverkennbar.
Ich blieb stehen, drehte mich um und sah Luise auf mich zukommen.
Sie ging schnell, mit langen Schritten und fließenden Armbewegungen. Ihr schwarzes Kleid war knielang, ihre Pumps ließen sie
noch größer wirken. Die kurze rote Jacke leuchtete.
Catwalk, dachte ich und fühlte mich klein und breit.
Sie blieb vor mir stehen und strahlte mich an.
»Du bist ja auch zu früh, ich dachte, das kriege immer nur ich hin. Ich habe mich richtig auf den Abend gefreut. Gehen wir
rein?«
Sie zog die Eingangstür auf und betrat das »Cox«, ich folgte dichtauf und fühlte mich ungelenk.
Der Kellner, der uns im Frack empfing, war genauso beeindruckend wie das Restaurant.
Ich hörte Ediths Stimme:
»Hoffentlich hast du genug Geld dabei, das wird sonst richtig peinlich.«
Ich zählte in Gedanken den Inhalt meines Portemonnaies nach, zur Not hatte ich eine Kreditkarte. Ich versuchte mich zu entspannen.
Luise nannte mit lauter Stimme ihren Namen, auf den sie einen Tisch reserviert hatte.
Der beeindruckende Kellner führte uns an einen Fenstertisch.
|87| Wir setzten uns.
Ich sah mich um, Luises Blick folgte meinem. Als ich an einem Nebentisch drei Fernsehschauspieler entdeckte, sah ich Luise
schnell an, wollte gerade etwas sagen. Sie vertiefte sich ungerührt in die Speisekarte, ich beherrschte mich.
Nach einer Weile blickte sie hoch.
»Diese Frisur steht dir übrigens richtig gut, viel besser als früher. Und du solltest öfter weiß tragen, du bist so schön
braun.«
Ich wurde verlegen, bedankte mich knapp.
Luise winkte dem Kellner.
»Trinkst du einen Aperitif?«
Ich nickte.
Luise bestellte zwei Kir Royal.
Ich fühlte mich prominent.
Als die Getränke kamen, bot mir Luise aus einem silbernen Zigarettenetui eine Zigarette an.
Sie rauchte meine Marke.
Wenigstens eine Gemeinsamkeit, dachte ich und musste lächeln.
Ich nahm eine Zigarette, sie gab mir Feuer, dann starrte sie mich mit ihren grünen Augen an.
»Also, Christine, ich will gar nicht drum herumreden, ich wollte mit dir über deine Trennung sprechen.«
Ich verschluckte mich, bekam einen Hustenreiz, der meine Augen tränen ließ.
Luise beobachtete mich ruhig, wartete ab, bis ich mich wieder beruhigt hatte.
Ich schnappte nach Luft.
»Entschuldigung, habe mich verschluckt.«
»Das habe ich gemerkt. Geht es wieder.«
»Ja, danke.«
Ich trank Wasser. Dann sah ich ihr in die Augen.
»Und wieso willst du das alles wissen? Ich hatte nicht das Gefühl, dass du besonders neugierig bist.«
|88| »Nein, es geht nicht um Neugier, da habe ich mich falsch ausgedrückt. Es ist nur so, also, ich habe da noch nie mit jemandem
drüber gesprochen. Ich bin im Moment in einer ziemlich blöden Situation.
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