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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Heldt
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Ich denke seit Monaten über eine Trennung nach und
     schrecke jedes Mal davor zurück. Ich habe Angst davor. Und dann habe ich dich beim Stammtisch gesehen. Du hast da gesessen,
     völlig verändert, braungebrannt, tolle Frisur, hast völlig ausgeglichen und fröhlich gewirkt. Im Verlauf des Abends habe ich
     mir dann überlegt, dass du mir vielleicht helfen könntest, mir erzählen kannst, wie du das hinbekommen hast.«
    Sie meint mich, dachte ich völlig verdattert.
    Der Kellner kam mit gezücktem Bestellblock.
    »Haben die Damen entschieden?«
    »Isst du Fisch?«, fragte Luise mich.
    Ich nickte, blieb aber stumm.
    Luise sah kurz auf die Karte. »Gut, dann möchten wir eine Flasche Sancerre und zweimal das Fischmenü.«
    Sie klappte die Karte zu und reichte sie dem Kellner.
    »Den Wein bitte sehr kalt.«
    Der Kellner nickte beflissen und ging.
    Ich starrte Luise an. Vielleicht hatte sie nur Scherze gemacht.
    »Du guckst so nachdenklich, Christine, ich lade dich übrigens ein.«
    Ich wehrte ab.
    »Unsinn, warum das denn?«
    Sie winkte meinen Einwand beiseite und zündete sich die Zigarette an.
    »Ich spreche sonst nicht über mein Privatleben, hatte aber das Gefühl, dass ich mit dir gerne reden würde. Das kenne ich sonst
     nicht, und bevor ich ein schlechtes Gewissen bekomme, dass ich dich mit meinen Problemen voll dröhne, würde ich ganz gern
     das Essen bezahlen. Nimm es bitte an.«
    Langsam legte sich mein Erstaunen über den Verlauf des Abends. In diesem Moment sah ihr Gesicht verletzlich aus.
    |89| »Du musst mich zwar nicht fürs Zuhören bezahlen, aber wenn du mich unbedingt einladen willst, bedanke ich mich, obwohl es,
     wie gesagt, nicht nötig wäre. Ich habe in den letzten Monaten oft jemanden zum Zuhören gebraucht. Es hilft«, sagte ich.
     
    Der Kellner kam mit Eiskühler und Weinflasche und gab Luise mit der anschließenden Prozedur des Probierens und Einschenkens
     einen weiteren Aufschub.
    Als beide Weingläser gefüllt waren, hob ich mein Glas und nickte Luise zu.
    »Also, dann fang an.«
     
    Luise trank, holte Luft und begann. Sie erzählte, und die Klischees, die ich über sie in meinem Kopf hatte, lösten sich eines
     nach dem anderen auf.
    Ihre Eltern hatten sich getrennt, als Luise vierzehn war.
    »Sie lieferten sich eine Schlammschlacht wie im ›Rosenkrieg‹, mein Vater ist Lehrer, ein typischer Beamter mit allen Prinzipien.
     Meine Mutter hat in einer Boutique gearbeitet, auch Mode entworfen. Sie haben sich eigentlich immer gestritten. Und dann verliebt
     sich die Ehefrau mit fast vierzig während eines Urlaubs in einen italienischen Hotelier. Und zwar so heftig, dass sie zwar
     mit nach Frankfurt zurückflog, aber zwei Monate später endgültig nach Mailand übersiedelte. Mein Vater hat getobt.«
    Sie lächelte gequält.
    »Ich bin bei meinem Vater geblieben, habe in Frankfurt Abi gemacht und angefangen, in Berlin Modedesign zu studieren.«
    Luises Vater war sowohl gegen Berlin als auch gegen Mode. Als seine Tochter nach zwei Jahren immer noch nicht zur Vernunft
     gekommen war, strich er kurz entschlossen ihre Bezüge.
    Ich fand das unmöglich.
    »Und deine Mutter?«
    Luise zuckte mit den Schultern.
    |90| »Sie hat sich da rausgehalten, ich glaube, es ist ihr egal. Sie ist mittlerweile seit fünfundzwanzig Jahren in Mailand, hat
     alle Brücken abgebrochen. Ich fahre manchmal hin, nach vier Tagen geht sie mir auf die Nerven. Wir haben wenig gemeinsam.«
    Luise suchte sich einen Job. Durch Zufall fand sie ihn in einer Buchhandlung, nach einem halben Jahr bot ihr der Inhaber einen
     Ausbildungsplatz an. Sie nahm an, mittlerweile waren ihr die Bücher lieber als die Mode.
    »Das war eine tolle Zeit, ich teilte mir mit zwei Kolleginnen eine Wohnung, wir verstanden uns gut, der Job war klasse, und
     dann habe ich mich auch noch verliebt.«
    Dirk war Tischler, er baute einen Teil der Buchhandlung um und verliebte sich Hals über Kopf in Luise.
    »Ich bin noch nie so umworben worden. Es war wie im Film, er brachte mir jeden Tag etwas mit, mal eine Rose, mal ein Käsebrötchen,
     mal Kinokarten. Wir kamen zusammen, es war so leicht mit ihm, nach der Ehe meiner Eltern hatte ich an so etwas nicht geglaubt.«
    Nachdem Luise ihre Ausbildung beendet hatte, begann Dirk ein Studium. Er wollte Berufsschullehrer werden, Luise finanzierte
     das gemeinsame Leben.
    »Das kenne ich«, sagte ich, »das war bei uns genauso. Lass mich raten, die Zeit des Studiums war noch klasse, sobald er fertig
     war, hat

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