Ausgeliebt
von der Seite an, ich hatte das Gefühl,
sie wollte etwas fragen. Nach dem dritten Glas tat sie es.
|184| »Hat Leonie das eigentlich ernst gemeint mit dem Liebhaber?«
»Ich glaube schon. Als wir zusammen in der Sauna waren, hat sie das auch schon mal vorgeschlagen.«
Franziska rieb angestrengt an dem bereits trockenen Glas. »Das ist doch das Letzte.«
Ich hielt erstaunt inne. Ich hatte Franziska nie für spießig oder übermäßig moralisch gehalten.
Meine Antwort sollte beschwichtigend klingen. »Leonie selbst will doch keinen Liebhaber, sie hat mir das nur empfohlen, das
war bestimmt nicht so ernst gemeint.«
Franziska nahm das nächste Glas. »Das geht auch nicht gegen Leonie, ich finde nur so einen Vorschlag völlig beknackt.«
Ich brauchte alle Kraft, um Charlotte nicht in meinen Kopf zu lassen.
»Ach, Franziska, Liebhaber liegen auch nicht auf der Straße.«
Sie musterte mich ernst. »Christine, ich finde es toll, wie du diese letzten Monate geschafft hast, und ich kann dich richtig
gut leiden. Du kannst jetzt auch sagen, es ginge mich nichts an, aber ich habe dich vorhin am Tisch beobachtet, du hast ein
paar Mal ganz traurig geguckt. Und du hast einige Male dein Handy kontrolliert. Ich glaube nicht, dass du auf einen Anruf
von deinem Ex wartest, und als Leonie das vorhin sagte, gingen bei mir alle Alarmglocken an.«
Ich stellte das Glas ab und sah sie an. »Was meinst du?«
Sie setzte sich an den Küchentisch und überlegte kurz, bevor sie antwortete.
»Ich kann mich irren, vielleicht erinnert mich das auch nur an meine eigene Geschichte, aber fang in deiner Situation bloß
keine Affäre an, schon gar nicht mit jemandem, der gebunden ist.«
Ich trocknete meine Hände ab und setzte mich ihr gegenüber. »Hast du das hinter dir?«
Franziska sah mich an. »Ja. Und ich würde es nie wieder machen |185| . Ich dachte damals, ich könnte das ab und sowieso sind das alles nur Klischees, das, worunter die Geliebten dann leiden müssen.
Geburtstage, Wochenenden, Weihnachten, es gibt Romane und Filme genug. Aber leider stimmt jedes Klischee.«
Sie machte eine Pause und drehte an ihrem Ehering. Sie sah, dass mein Blick auf den Ring fiel. Franziska sah hoch, lächelte
und redete weiter.
»Ich bin vor acht Jahren ähnlich schnöde verlassen worden. Wir waren nicht verheiratet, lebten auch nur drei Jahre zusammen,
trotzdem war es ein Schock für mich. Danach bin ich von Münster nach Hamburg gezogen, ich wollte weit weg und neu anfangen
und mich nie wieder verlieben. Ein Jahr lang war ich alleine hier, kannte ein paar Kollegen, einige Frauen vom Sport, alles
ruhig und überschaubar. Ich fühlte mich oft einsam, aber egal.
Über Silvester war ich mit meiner Schwester im Skiurlaub, habe da im Hotel einen Mann kennen gelernt. Er hieß Hannes, war
Programmierer und kam auch aus Hamburg.
Ich fand ihn klasse, er mich auch. Er sagte mir gleich, dass er verheiratet sei. Seine Frau hasste Skilaufen, deshalb fuhr
er mit einem Freund. Irgendwie war mir das in der Stimmung damals egal. Kurz und gut, wir fingen etwas miteinander an.
Es war toll, es war unglaublich leicht, wir waren voneinander begeistert.
Drei Wochen nach dem Urlaub stand er vor meiner Tür. Seine Ehe war ziemlich merkwürdig. Seine Frau lebte mit den Kindern in
München, er war seit einem Jahr Leiter der Hamburger Niederlassung einer Münchner Softwarefirma. Die Woche über lebte er in
Eppendorf, freitags flog er nach München. Anfangs dachte ich, es sei der Idealfall. Ich wollte gar keine feste Beziehung,
nach diesem letzten Debakel. Wir sahen uns regelmäßig, wir verstanden uns wunderbar. Wir gingen so gut wie nie zusammen weg,
wir hätten ja Bekannte treffen können. Wir blieben für uns, mir hat es gereicht. Er tat mir gut.«
Ich hörte ihr gespannt zu. Richard.
|186| Franziskas Augen waren traurig.
»Nach einem Jahr wurde es immer schwerer. Er hatte mich exklusiv. Es gab nichts von mir, was er nicht wusste, Job, Freunde,
Ängste, Familie, Gefühle, selbst Verträge und Versicherungen. Von ihm kannte ich nur den Hamburger Teil. Wie er in München
bei seiner Familie war, wusste ich nicht. Weißt du, ich musste immer aufpassen, dass ich mich nicht ganz fallen ließ. Freitags
bis montags war er weg, für mich nicht erreichbar, er ließ mich zurück. Manchmal kam ein verstohlener Anruf, wenn er einkaufen
war. Ich habe gewartet, dass er sich meldet, dass er urplötzlich aus München zurück zu mir
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