Ausgeliebt
schloss, dann ging ich wieder zurück.
Als ich mich auf meinen Stuhl setzte, verstummten die Gespräche. Irritiert sah ich in die Runde. »Ist etwas falsch? Bin ich
zu früh zurück?«
Zehn Gesichter lächelten mich an.
Michael hob das Glas. »Guck nicht so verschreckt, ich will keine Rede halten. Wir haben gerade über dich geredet, aber nur
Gutes. Du hast dich wirklich großartig gehalten und …«
Leonie legte ihre Hand auf seinen Arm und unterbrach ihn.
»Er will nämlich keine Rede halten, er fängt aber schon an. Herzlichen Glückwunsch, Christine, zum Geburtstag, zum neuen Leben
und zu deiner Haltung.«
Alle hoben jetzt ihr Glas, Rüdiger räusperte sich. »Apropos Haltung, ich als dein Anwalt finde, wie du weißt, deine Haltung
deinem Bald-Ex-Mann gegenüber immer noch viel zu nett.«
Marleen kehrte in diesem Moment an ihren Platz zurück und nickte in Rüdigers Richtung.
»O ja, vielleicht hört sie auf dich. Ich habe von Anfang an gesagt, dass sie viel zu weich ist, andere Frauen in Christines
Situation fackeln wenigstens das Haus ab oder hätten Antje mit |182| giftigen Anrufen terrorisiert. Aber Christine nimmt ein paar Sachen und geht einfach. Bloß keinen Stress.«
Ines und ich antworteten gleichzeitig. »Marleen.«
Wir sahen uns an, ich redete weiter.
»Das hätte doch überhaupt nichts geändert. Und meine Oma hat immer gesagt: ›Verhalte dich immer so, dass du alles zwei Jahre
später erzählen kannst, ohne die Geschichte zu verändern.‹«
Ines nickte. »Der Satz, der mir einfiel, war: ›Du musst, du kannst.‹«
Maren stöhnte auf. »Die heilige Familie. Christine, mein Göttergatte kann richtig Geld für dich rausholen, wenn du ihn lässt.
Und dem süßen Bernd richtig in die Knie schießen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Leute, bitte! Ich will nicht über das Thema reden. So wie es ist, ist es gut. Mir geht es wunderbar,
alles ist besser geworden, ich habe weder Zeit noch Lust, mein altes Leben zu verlängern, ich will es abschließen. Punktum.
Können wir das Thema wechseln?«
Nina griff den Vorschlag auf. »Das machen wir. Rüdiger stichelt sowieso nur, weil deine Scheidung nicht nur flott, sondern
auch billig verlaufen wird.«
Sie prostete Rüdiger zu.
Er drohte ihr mit dem Finger und winkte gespielt verzweifelt ab.
»Ich meine es rein privat.«
Nina ignorierte ihn. »Also, neues Thema. Christine, du bist jetzt fast durch mit dem ganzen Stress, jetzt hast du doch auch
langsam mal wieder Zeit für die Liebe.«
Charlotte flüsterte:
»Richard.«
Edith antwortete:
»Halt bloß den Mund.«
Maren enthob mich der Antwort. »Das musst du Christine wohl selbst überlassen, Nina. Wenn es passieren soll, passiert es.«
Nina ließ nicht locker. »Du bist jetzt seit acht Monaten allein, das ist doch nervig.«
|183| Dorothea fing lauthals an zu lachen. »Meine Güte, ich lebe seit drei Jahren allein, ich finde das immer noch wunderbar.«
Ines stand auf und sammelte die vollen Aschenbecher ein. »Ihr habt vielleicht Probleme. Dabei ist die Flasche schon wieder
leer.«
Leonie versuchte dem Gesprächsverlauf eine andere Richtung zu geben.
»Lege dich bloß nicht gleich wieder fest, such dir doch erst mal einen Liebhaber, so etwas Unverbindliches, nur für den Übergang.«
Ich sah die unbehaglichen Gesichtsausdrücke von Michael, Rüdiger und Georg, stand auf und folgte Ines in die Küche. Im Vorbeigehen
sagte ich: »Ich denke drüber nach, es ist übrigens noch jede Menge zu essen da, ich hole mal neues Geschirr.«
In der Küche räumten Ines und Marleen die Geschirrspülmaschine ein. Ich fing an, die Gläser von Hand abzuwaschen, sie passten
nicht mehr in die Maschine.
Als Ines etwas sagen wollte, unterbrach ich sie. »Ich muss mal was tun, mir tut vom Sitzen schon der Hintern weh.«
Franziska stand plötzlich neben mir und griff sich ein Handtuch.
»Sehr gute Idee, ich mach jetzt mal mit dem Geburtstagskind Küchendienst, wir kommen dann gleich zurück.«
Marleen sah mich fragend an. Ich nickte ihr zu. »Lass mich mal einen Moment stehen, mach doch noch einen Sekt auf und bring
ihn rüber, außerdem hat Ines noch gar nichts gegessen vor lauter Bedienen.«
Ines sah Marleen an, dann griff sie sich einen Teller und bediente sich am Buffet.
»Marleen, willst du auch noch?«
Marleen wollte, beide gingen mit ihren beladenen Tellern zurück zu den anderen.
Franziska polierte schweigend die Gläser, die ich ihr hinstellte. Sie sah mich zweimal
Weitere Kostenlose Bücher