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Ausgelöscht

Ausgelöscht

Titel: Ausgelöscht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Ich meine, sie hat sich wirklich die Seele aus dem Hals geschrien. Jedenfalls, langer Rede kurzer Sinn, ich wurde festgenommen.«
    »Was hat man Ihnen vorgeworfen?«
    »Tätlicher Angriff und Unzucht. Meine Frau hat behauptet, ich hätte die Tür aufgebrochen. Und das Mädchen, dem ich zufällig gerade Stubenarrest erteilt hatte, weil es ein Zeugnis mit drei Dreiern und zwei Vieren mit nach Haus gebracht hatte, behauptet, ich hätte es angetatscht.« Er legte sich die Hand auf die Brust. »
Ich habe nichts davon getan
.« Er sah in den Rückspiegel, vermutlich, um sich zu vergewissern, ob Clevenger ihm glaubte. Er schien beruhigt. »Ich musste mir einen Anwalt nehmen und ihm dreißig Riesen hinblättern, damit man mich für unschuldig erklärt, was ich ja war. Aber bei so einem Fall, da braucht es keine Beweise, da zählt allein das Wort des Opfers. Im Zeugenstand hat sie alles zurückgenommen.« Er nickte versonnen. »Dreimal dürfen Sie raten, wofür ihr Ex im Knast saß.«
    »Tätlicher Angriff und Unzucht mit dem Mädchen.«
    Er schaute in den Rückspiegel. »Sie sind wirklich gut. Verstehen Sie, ich musste den Kopf für ihn hinhalten. Er hat was Unanständiges getan, also haben sie und ihre Mutter vorschnelle Schlüsse gezogen und gedacht, ich wär genauso.«
    »Wenn er so war«, sagte Clevenger.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Vielleicht hat der erste Ehemann das Mädchen missbraucht, vielleicht auch nicht. Vielleicht wurde Ihre Frau von ihrem eigenen Vater missbraucht, als sie zehn oder elf war. Vielleicht ist es im Badezimmer des Hauses passiert, in dem sie aufgewachsen ist. Dann öffnen Sie die Badezimmertür einen Spalt weit, und für sie passiert alles wieder von neuem – diesmal mit ihrer Tochter.«
    »Das ist mir nie in den Sinn gekommen.«
    »Sie sind weggezogen«, sagte Clevenger.
    »Es ist da unten in allen Zeitungen breitgetreten worden. Riesige Schlagzeilen, als ich festgenommen wurde. Keine Schlagzeilen, als ich freigesprochen wurde. Dazu wurde ich noch bei der Scheidung über den Tisch gezogen. Und, Sie werden es nicht glauben …«
    »Sie müssen Alimente zahlen.«
    »Schon wieder ein Volltreffer.« Er wandte den Kopf um und sah Clevenger an.
    Clevenger bemerkte erst jetzt, dass seine Augen blassgrün und außergewöhnlich sanft waren. Er sah auf die Hand am Lenkrad und stellte fest, dass er einen Ehering trug.
    »Also hab ich mich verabschiedet«, fuhr der Chauffeur fort. »Pleite, und mein Ruf ist auch hin.«
    »Haben Sie wieder geheiratet?«, fragte Clevenger.
    »Nee.«
    »Sie tragen einen Ehering.«
    Er zuckte mit den Achseln. »Verrückt, ich weiß. Ich habe ihn einfach nie abgenommen. Nicht, als ich vor Gericht stand. Nicht, als sie mich für unschuldig erklärt haben. Nicht, als ich den Scheidungsbescheid erhalten habe.«
    »Warum nicht?«, wollte Clevenger wissen.
    »Ich liebe sie noch immer.« Er schüttelte den Kopf. »Ich liebe die Kinder noch immer. Über manche Dinge kommt man eben nie hinweg.«
    Über manche Dinge kommt man tatsächlich nie hinweg, dachte Clevenger bei sich. Er verdrängte eine weitere Erinnerung an Whitney McCormick. Aber man macht eben weiter. Wenn der Chauffeur die Wahrheit sagte – und zumindest klang er so –, dann hatte er die Frau verloren, die er liebte, und zwei Stiefkinder, die ihm ans Herz gewachsen waren, hatte seinen guten Ruf verloren, hatte all sein Geld für Anwälte hingegeben, um sich gegen eine Anklage wegen Unzucht zu verteidigen, und war dann ans andere Ende des Landes gezogen, um neu anzufangen. Warum konnte John Snow nicht das Gleiche tun? Selbst wenn seine Ehe zu Ende war, selbst wenn die angespannten Beziehungen zu seinen Kindern kurz vor dem Zusammenbruch standen, warum konnte er nicht einfach einen Neuanfang machen? Waren seine Gefühle für Grace Baxter letztendlich zu unkontrollierbar, zu bedrohlich? Diente seine Operation ebenso dazu, sie aus seinem Kopf zu entfernen, wie alle anderen? »Haben Sie je daran gedacht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen?«, fragte Clevenger.
    »Ich schicke ihnen jeden Monat einen Brief, erzähle ihnen, was ich so mache«, antwortete er. »Ich schreibe ihnen, dass ich ihnen verziehen habe. Einundzwanzig Briefe, bis jetzt. Fast zwei Jahre.«
    »Haben sie je geantwortet?«
    »Noch nicht. Aber die Briefe kommen nicht zurück. Sie kommen bei ihnen an.«
    »Ich schätze, das bedeutet schon etwas.«
    »Es bedeutet mir etwas.« Er hielt vor dem Reagan-Gebäude, einem gigantischen Granitkomplex von dreihunderttausend

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