Ausgelöscht
Naturgesetze außer Kraft setzen konnte.« Abermals hielt er kurz inne. »Stattdessen schob er die Schuld auf sein Gehirn.«
»Soll heißen?«
»Jedes Mal, wenn er glaubte, dem Durchbruch bei Vortek nah zu sein, hatte er einen Anfall. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb er mit Jet Heller seine Odyssee zum OP begonnen hat. Er war überzeugt, die Operation würde geistige Kräfte freisetzen, die er aufgrund seiner Epilepsie nicht nutzen konnte.«
»Und was denken Sie?«
»Ganz ehrlich? Ich denke, es wäre einfacher gewesen, Grace Baxter in die Wüste zu schicken. Er wurde von ihr abgelenkt.«
»Hat John Ihnen von ihr erzählt?«
»Wir hatten keine Geheimnisse voreinander.«
Wie es schien, hatte Snow generell kein Geheimnis aus Grace Baxter gemacht. Heller wusste Bescheid. Coroway wusste Bescheid. Ihr Porträt hing in seinem Haus. »Ihren Tod untersuche ich ebenfalls«, erklärte Clevenger.
»Das weiß ich.«
Keine Überraschung. Coroway schien alles über die Ermittlungen zu wissen. »Irgendwelche Ideen?«
»Ich denke, sie konnte ohne ihn nicht weiterleben.«
»Sie glauben also, dass sie sich das Leben genommen hat.«
»Solange es keine handfesten gegenteiligen Beweise gibt. Sie hatte damit gedroht.«
»Wann war das?«
»Als John ihr das erste Mal sagte, dass es vorbei wäre, so vor einem Monat ungefähr. Sie hat gedroht, sich die Kehle durchzuschneiden.«
Clevenger schnürte sich der Magen zusammen.
»Und das war nur der letzte und schwerste in einer langen Reihe von Tiefschlägen, mit denen sie ihn aus der Bahn geworfen hat«, sagte Coroway.
Sie hat gedroht, sich die Kehle durchzuschneiden
. Die Worte hallten durch Clevengers Kopf. Er starrte Coroway an, doch er sah Grace Baxter in ihrem Badezimmer, mit dem Teppichmesser in der Hand.
»Alles in Ordnung, Doktor?«
Clevenger zwang sich, sich zu konzentrieren. »In welcher Weise hat sie ihn noch aus der Bahn geworfen?«
»Sie hat sich in seinem Kopf eingenistet. Anders kann ich es nicht beschreiben. Er war besessen von ihr, wie ein verdammter Fünfzehnjähriger.« Er beherrschte sich wieder. »Es war eine gänzlich neue Erfahrung für John. Sie müssen verstehen, Theresa und er haben zusammengelebt. Sie hatten gemeinsame Kinder. Doch sie waren nie wirklich
ein Liebespaar
. John liebte seinen Verstand. Sie ebenfalls. Es war eine Ménage à trois. Aber als er sich in einen anderen Menschen verliebte, geriet alles aus den Fugen. Er fühlte sich plötzlich wie ein Mann, nicht mehr wie eine Maschine.«
Was auch eine Bedrohung für Snow-Coroways Bilanzen hätte darstellen können. Es war Johns Verstand, der dem Unternehmen seine Profite bescherte. »Haben Sie sich für ihn gefreut?«, fragte Clevenger.
»Eine Weile lang schon. Es war schlichtweg atemberaubend. Alles veränderte sich. Seine Laune wurde besser. Seine Energie war schier unerschöpflich. Er kaufte sich sogar anständige Sachen zum Anziehen, Herrgott noch mal. Er war fasziniert von Dingen, für die er früher nicht das geringste Interesse gezeigt hatte. Kunst. Musik. Selbst sein Sohn. Er wurde lebendig.«
Seine Frau hatte Snows neu gefundenes Interesse an Kyle nicht erwähnt. »Aber seine Arbeit …«
»Seine Arbeit ging zum Teufel.«
Coroways Analyse von Snow ergab einen Sinn, im Lichte dessen, was Clevenger bereits über ihn wusste. Aber seine Behauptung, Vortek sei ein Blindgänger, war nur schwer zu beweisen. Soweit Clevenger wusste, hätte Coroway die Erfindung gerade vor einer Stunde zum Patent angemeldet haben können. Und Clevenger hatte auch nicht vergessen, dass Coroway mit einem Lieferwagen zusammengestoßen war, als er vom Mass General wegraste, während John Snow in einer Gasse verblutete. »Hatten Sie John in den letzten vierundzwanzig Stunden gesehen?«, erkundigte er sich.
Coroway beugte sich wieder vor. »Reden Sie nicht lange um den heißen Brei herum. Wenn Sie den Unfallbericht inzwischen noch nicht gefunden hätten, dann müsste ich mir in Bezug auf Sie und North Anderson ebensolche Sorgen machen wie in Bezug auf Detective Coady.«
Coroway mochte des Mordes schuldig sein oder nicht, aber niemand konnte ihm vorwerfen, dass er unzulänglich oder falsch informiert wäre. »In Ordnung. Haben Sie ihn gestern Morgen am General getroffen?«
»Ich konnte ihn nicht finden. Ich habe sein Handy angerufen. Er ist nicht rangegangen.«
»Warum haben Sie nach ihm gesucht?«
»Ich wollte ein letztes Mal versuchen, ihn davon abzubringen, sich unters Messer zu begeben«,
Weitere Kostenlose Bücher