Ausgeloescht
sein eigenes Kind tötet, fremder erschienen als in diesem Moment im Sprechzimmer. Ich berühre meinen Bauch und suche nach Begreifen, doch es ist unfassbar. Wie könnte ich dieses Kind je töten?
Ich bin erstaunt und entsetzt zugleich, als ich merke, dass ich weine. Ich dachte, ich hätte alle Tränen hinter mir gelassen. Ich habe mich in einem neuen Leben eingerichtet, in einer neuen Liebe, einer neuen Ehe. Ich habe meine Fähigkeit wiederentdeckt, fröhlich zu sein, zu lachen und nicht immer nur Finsternis zu sehen und Kälte zu spüren. Der Fluss der Trauer, in dem ich so lange getrieben bin, war erst zu einem Rinnsal geworden und schließlich zu einer Pfütze ausgetrocknet.
Offenbar bringen einige Dinge immer noch Regen.
Ich dachte, ich bekäme diese Chance nie wieder, aber jetzt habe ich sie, und ich habe gerade erst begriffen, wie sehr ich sie mir wünsche, wie sehr ich sie brauche und wie groß die Sehnsucht ist.
»Tut mir leid«, sage ich mit belegter Stimme, ohne die Tränen eindämmen zu können.
»Schon gut, Smoky.«
Ich lasse meinen Tränen freien Lauf.
Auf der Fahrt nach Hause denke ich über meine Suche nach - die Suche nach der Seele. Jeder hat seine eigene Antwort. Pater Yates, der Priester bei Callies Hochzeit, hatte seine. Die Buddhisten haben ihre eigene. Als ich noch ein kleines Mädchen war, hatte ich meine. Ich besaß diese Antwort mit einer Sicherheit und Unschuld, die zu mächtig und rein waren, als dass ich sie als pure Naivität abtun könnte. Gibt es Dinge, die wir nur wissen, solange wir klein sind? Die wir vergessen, wenn wir älter werden? Oder liegt es nur daran, dass man immer mehr hinter die Kulissen blickt und etwas entwickelt, das die Jungen Zynismus und die Alten Realitätssinn nennen?
Die Frage, die ich mir am meisten gestellt habe, lautet: Warum ist mir das wichtig?
Ich reibe meinen Bauch, versuche das Leben zu spüren, das darin wächst, und mich mit ihm zu verständigen.
Wichtig ist es mir deinetwegen.
Wichtig ist es mir wegen der Wahrheit, die ich in Dr. Rands Praxis gesehen habe - dass Alexa in jeder Gestalt Alexa wäre.
Ist das ein Beweis für die Existenz der Seele?
Nichts antwortet mir, aber ich bin zufrieden, dass ich näher herankomme.
Ich überlege, ins Büro zu fahren, entscheide mich dann aber dagegen. Alan wird mich anrufen, wenn Dali sie wieder kontaktiert. James und Callie rufen mich an, wenn sich etwas anderes ergibt.
»Zum Teufel damit!«, sage ich laut und lache. Ich fühle mich ein wenig ausgelassen. Wieder findet meine Hand die Stelle an meinem Bauch. »Ich werde wieder Mutter, Baby. Wieder jung mit über vierzig. Kannst du das glauben?«
Wir brauchen Milch, und während ich auf den Parkplatz des Supermarkts einbiege, summe ich »Blackbird« von den Beatles. Mom hat das Lied immer geliebt. Sie konnte es sogar singen, mit hoher, ergreifender Stimme. Ich starre durch die Windschutzscheibe und muss daran denken, wie sie zu Dads Füßen saß, lächelte und sang, während er die Gitarre spielte.
Es wäre schön gewesen, wenn sie ihre Enkel kennengelernt hätte.
Ich weiß nicht, was mich gerade an Mom denken lässt und nicht an Dad. Vielleicht liegt es daran, dass es für Mom immer ein bisschen schwieriger war, glücklich zu sein. Und als sie ihr Glück fand, fand sie es in ihrer Familie.
Ich pfeife weiter, als ich die Autotür schließe.
Etwas Hartes berührt mich im Kreuz, und eine Stimme flüstert mir ins Ohr: »Eine falsche Bewegung, Special Agent Barrett, und Sie sind tot. Sie sterben, ich lebe. Sie wissen, wer ich bin, also wissen Sie auch, dass es keine leere Drohung ist.«
Ich erstarre. Mein Herz beginnt so stark zu hämmern, dass ich glaube, es platzt mir aus der Brust. Mir ist leicht übel. »Dali?«, krächze ich.
Wie ist meine Kehle so schnell so trocken geworden?
»Wir gehen jetzt zu meinem Wagen, Agentin Barrett. Legen Sie sich in den Kofferraum. Wenn Sie sich wehren, erschieße ich Sie. Anschließend fahre ich zu Ihnen nach Hause und töte Ihre Adoptivtochter und Ihren Freund. Haben Sie verstanden?«
Eine Million Gedanken wirbeln mir durch den Kopf, Dinge, die ich sagen, Abmachungen, die ich anbieten könnte. Doch die Waffe drückt das alles beiseite. »Ja«, flüstere ich.
Er greift unter meine Jacke und nimmt mir die Waffe ab. Dann löst er das Handy von meinem Gürtel. »Vorwärts.«
Nach höchstens drei Metern kommen wir zu einem blauen Toyota Camry. Der Kofferraum ist bereits aufgeschlossen.
Woher wusste er, dass
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