Ausgeloescht
können.
Dann stehen wir im Krankenzimmer an ihrem Bett, ich ein bisschen näher als Alan. Wahrscheinlich ist der Täter ein Mann; da wird Heather sich bei einer Frau sicherer fühlen.
Ihre Augen sind offen, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie etwas sieht. Ihr Blick huscht nervös hin und her, zu meinem Gesicht, zu den Deckenlampen, zum vergitterten Fenster, durch das Licht ins Zimmer fällt. Dorthin schaut sie am häufigsten, fällt mir auf.
Ich spreche sie an: »Heather? Heather Hollister?«
Sie sieht mich kurz an, antwortet aber nicht und lässt auch sonst nicht erkennen, ob sie mich wahrgenommen hat. Ihre Blässe ist geisterhaft, aber nicht weiß wie frische Milch; dafür hat sie zu viele Narben. Auf dem kahlen Kopf und den Unterarmen sind neue verschorfte Stellen, die abheilen und Narben bilden werden.
Sie kaut auf der Unterlippe und beißt so fest zu, dass plötzlich Blut kommt. Sie zuckt zusammen, hört auf zu kauen. Sekunden später wiederholt sich das Ganze. Sie atmet mit offenem Mund. Schnelle, flache Atemzüge.
Ich versuche es noch einmal. »Mrs. Hollister?«
Plötzlich lacht sie. Es ist ein wieherndes Lachen, das grässlich klingt. Ich weiche erschrocken zurück. Genauso plötzlich endet das Lachen, und ihr Blick huscht wieder durchs Zimmer. Sie fasst sich an den Unterarm, zupft und zerrt an der Haut.
»Nein, nein«, sage ich beruhigend und will ihre Hand wegziehen.
»Neiiiin!«, kreischt sie und zuckt vor mir zurück. Sie öffnet ein wenig den Mund und schiebt in einer trotzigen Geste das Kinn vor. Es macht ihr Gesicht hässlich, beinahe primitiv. Ich ziehe die Hand zurück.
»Verzeihung«, sage ich.
Sie zupft und zerrt weiter. Wieder huscht ihr Blick durchs Zimmer. »Sie ist noch nicht so weit«, sagt Alan.
Leider hat er recht. Ich spüre den egoistischen Impuls, die Frau zu schütteln und ihr ins Gesicht zu schreien, dass es jetzt genug sei. Doch der Augenblick verstreicht.
Ich greife in die Handtasche, ziehe eine Visitenkarte heraus und zeige sie ihr. »Das ist meine Karte, Mrs. Hollister, mit meinem Namen und meiner Telefonnummer. Ich bin vom FBI und möchte den Mann finden, der Ihnen das angetan hat. Wenn Sie reden möchten, rufen Sie mich an.« Ich lege die Karte auf ihren Nachttisch an die große Lampe. »Gehen wir«, sage ich zu Alan.
Wahrscheinlich bemerkt Heather Hollister nicht einmal, dass wir das Zimmer verlassen.
»Was gibt es Neues, Doc?«, frage ich.
Dr. Mills scheint ein anständiger Kerl zu sein. Er ist Mitte bis Ende dreißig, wird bereits kahl und sieht aus, als wäre er stets müde, doch ich spüre aufrichtige Fürsorge bei ihm. Für so etwas habe ich feine Antennen.
»Sie leidet an Vitamin- und Kalziummangel. Wir behandeln das bereits. Außerdem muss sie zunehmen. Ansonsten hat sie keine physischen Schäden. Ich bin zuversichtlich, dass sie sich körperlich erholt.« Er seufzt. »Aber was ihren Geisteszustand angeht, sieht es ganz anders aus. Sie leidet offenbar an einer schweren psychischen Störung. Ich habe ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die Untersuchung wird heute Nachmittag vorgenommen. Ich habe nichts dagegen, sie vorübergehend hierzubehalten, aber sie braucht psychiatrische Behandlung.«
»Was hat es zu bedeuten, dass sie sich ständig kratzt und sich die Lippen blutig beißt?«, frage ich.
»Das gibt Anlass zur Hoffnung.«
Alan sieht ihn stirnrunzelnd an. »Wie bitte?«
»Sie hört auf, sobald es wehtut. Ich hatte schon Patienten, die sich die Nase abgetrennt hatten, und einen Mann, der sich für den wiedergeborenen van Gogh hielt. Er hatte sich mit einer Gartenschere beide Ohren abgeschnitten und sie an das Objekt seiner Begierde geschickt. Mrs. Hollister weiß, wann sie aufhören muss. Das ist ein gutes Zeichen.«
»Würden Sie uns Bescheid geben, wenn sich eine Veränderung zeigt? Ich habe meine Karte auf den Nachttisch gelegt.«
»Natürlich. Könnten Sie feststellen, ob sie einen Hausarzt hatte? Wenn ich ihre alten Patientenakten bekäme, wäre das sehr hilfreich.«
Als wir gehen, bleibt Alan nach ein paar Schritten stehen und dreht sich noch einmal zu dem Arzt um. »Beide Ohren? Ich dachte, van Gogh hatte sich nur ein Ohr abgeschnitten.«
Dr. Mills zuckt die Achseln. Es ist eine müde Geste, die zu seinem müden Gesicht passt. »Der Mann sagte, eines habe beim vorigen Mal nicht gereicht.«
Als wir auf den Freeway auffahren, ruft Callie an. Sie redet, während ich beobachte, wie draußen die Hügelhänge vorüberziehen,
Weitere Kostenlose Bücher