Ausgeloescht
so, so beschissen.« Sie packt seine Handgelenke mit verzweifeltem Griff, und mit einem Mal ist ihre Stimme fester. »Kannst du mir helfen? Ich kann mich nicht davon lösen. Kannst du mir helfen? Bitte ...«
Burns' wahres Gesicht kehrt zurück, eine eisige, erstarrte Grimasse des Kummers. Er setzt sich auf die Bettkante, hebt Heathers federleichten Oberkörper hoch und nimmt sie in die Arme.
Heather windet sich vor Qual, ist abwechselnd kraftlos und verkrampft. Offenbar ruft eines der Geräte, an die Heather angeschlossen ist, die Krankenschwester herbei. Sie erbleicht, als sie das Gewimmer hört, und flieht. Ich kann sie gut verstehen.
Alan und ich schweigen. Wir warten und sehen zu, ohne hinzuschauen. Es ist ein Trick, um respektvolle Distanz zu wahren. Man hat ihn nach dem vierten oder fünften Mal drauf, wenn man die Nachricht vom Tod eines Familienangehörigen überbringt. Die Angehörigen brechen zusammen, und man wird zum Eindringling. Man kann aber nicht gehen, und so wird man stattdessen zu einem Gespenst. Es ist eine schreckliche Fähigkeit, aber sie hilft einem sehr.
Nach einiger Zeit lässt das Stöhnen und Jammern nach. Burns hält Heather fest, während sie sich beruhigt, und lässt die sporadischen Leidensausbrüche, die unvermittelt kommen, über sich ergehen. Doch auch sie gehen bald in Zittern über, das schließlich zu einem Seufzen wird, bis auch das verstummt.
Wir warten in der Stille. Trost wirkt am besten in der Stille, in der schweigenden Nähe eines anderen Menschen.
Schließlich legt Heather sich wieder hin, und Burns setzt sich in seinen Stuhl. »Besser?«, fragt er.
Sie nickt. Dann zuckt sie die Achseln, kratzt sich am Arm. Dann am Kopf, dann wieder am Arm. Sie ist ständig in Bewegung. »Scheint so. Vielleicht. Ich weiß nicht.«
»Wenigstens redest du wieder. Das ist ein guter Anfang. Kannst du schon darüber sprechen, was passiert ist?«
Ihre Augen weiten sich. »Ich glaube«, sagt sie. Ihre rechte Wange zuckt dreimal. »Ich habe Angst, Daryl. Aber vielleicht hilft das ja ... ich weiß nicht... vielleicht.«
Wenn ich ihr zuhöre, erinnert sie mich unwillkürlich an Gespräche mit Ecstasy-Süchtigen, nur dass Heather eine Überdosis Schrecken abbekommen hat. Ihr Flucht-Kampf-Mechanismus ist aktiviert, doch der Schalter ist außer Reichweite.
Ich kenne mich mit diesem Zustand aus. Ich kenne den Verlauf. Nach meiner Vergewaltigung, als ich vom Krankenhaus nach Hause kam, konnte ich wochenlang nicht schlafen. Nicht nur, weil ich um Matt und Alexa trauerte, sondern vor Angst. Jedes Knarren, jedes Säuseln des Windes brachte mein Herz zum Rasen. Wenn ich in der Ferne die Sirene eines Rettungswagens hörte, schoss mir das Adrenalin durch die Adern. Ich wollte aus meiner Haut kriechen, weil sie in Flammen stand, und schrie innerlich, als wäre ich in einem brennenden Haus eingeschlossen.
Ich gehe zu Burns, lege ihm eine Hand auf die Schulter, stelle mich so, dass Heather mein vernarbtes Gesicht sehen kann.
»Hallo, Mrs. Hollister. Ich bin Special Agent Smoky Barrett vom FBI.«
Ihr Blick flattert zu mir herüber. Ihre Augen weiten sich ein wenig, als sie meine Narben sieht.
»Was ist mit Ihnen passiert?«, fragt sie in einem drängenden Tonfall, den ich verstehe: Bitte sagen Sie mir, dass es etwas Schlimmeres war, als mir selbst passiert ist.
»Ein Serienmörder ist in mein Haus eingedrungen. Er hat mich vergewaltigt und mit dem Messer entstellt. Er hat meinen Mann und meine Tochter vor meinen Augen gefoltert und getötet.«
Ich weiß nicht, ob es schlimmer ist als das, was Heather erlebt hat. Wahrscheinlich kann man die Qualen, die manche Menschen durchmachen müssen, ab einem bestimmten Level nicht mehr miteinander vergleichen.
»Was wurde aus dem Mann, der Ihnen das angetan hat?« Diesmal färbt ein anderes Verlangen ihre Stimme: Rachsucht.
»Ich habe ihn erschossen.«
Heather johlt vor Befriedigung. »Gut, gut!« Sie leckt sich über die Lippen und wiederholt mit festerer Stimme: »Guuut.« Dann reißt sie die Augen auf. »Avery, Dylan ... was ist mit meinen Jungen? Kann ich sie sehen?«
»Darum kümmern wir uns später, versprochen«, antworte ich, so ruhig ich kann, und fühle mich wie eine Verräterin. »Zuerst würde ich gerne von Ihnen hören, was passiert ist, falls Sie es mir schon erzählen können. Ich möchte alles über den Täter erfahren. Schaffen Sie das, Heather?«
Wieder das Zucken - einmal, zweimal, dreimal. »Ich glaube schon. Wo soll ich anfangen?«
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