Ausgeloescht
Zeit?«
»Klar.«
»Aber wie soll ich das meiner Freundin erklären?« »Du lügst sie an.« »Ich soll lügen?«
Callie tätschelt ihm den Kopf. »Ach, ich war auch mal jung und naiv. Ja, Süßer, du wirst sie belügen. Erzähl ihr etwas Aufregendes. Du musst zu einem topgeheimen Auftrag ausrücken, von dem du vielleicht nicht lebend zurückkommst. Damit bist du gedeckt und kriegst vielleicht noch heißen Abschiedssex.« Sie zwinkert ihm zu. »Frauen stehen auf Geheimagenten.«
»Scheiße«, murmelt Leo.
Alan klopft ihm auf die Schulter. »Betrachte es als Abenteuer.«
Leo nickt niedergeschlagen. »Was wird dann mit den anderen Aufgaben?«, fragt er mich. »Den älteren Fällen und der Zusammenarbeit mit den Computerkriminalisten? «
»Das stellen wir erst mal zurück. Du hast gesagt, die Kollegen dort wissen, was sie tun.«
»Ja.« Er ergibt sich seufzend in sein Schicksal.
»Aufteilung der Pflichten«, sage ich. »James, du bleibst dabei, die Akten für Cooper zusammenzustellen.«
»Bis heute Abend bin ich damit fertig.«
»Gut. Callie, du erledigst sämtliche Lauferei bei der Erstellung der Identität. Du weißt, mit wem du Kontakt aufnehmen musst. Ich hätte gerne bis morgen alles parat.«
»Sollte nicht allzu schwierig sein. Wir brauchen nichts Ausgefallenes. Er kann von Zuhause arbeiten, dann brauchen wir keinen Firmenjob zu fingieren. Ich muss ihm allerdings eine Exfrau besorgen. Das könnte ein bisschen länger dauern.«
»Nimm jemanden, der noch nicht auf dem Radar ist.«
»Zum Beispiel eine vielversprechende, frisch gebackene Absolventin unserer ruhmreichen FBI-Akademie. Geht klar.«
»Was tun wir in der Zwischenzeit?«, fragt Leo.
»Recherche«, sage ich. »Recherche und noch mal Recherche.«
»Da gibt es verschiedene Herangehensweisen«, sagt Alan. »Meiner Meinung nach ist es am besten, nach den Dingen zu suchen, mit denen man übereinstimmt und wo man sich einfühlen kann.« Er zeigt auf die Website, die noch auf dem Bildschirm ist. »Such dir dort irgendetwas halbwegs Vernünftiges. Richte das Übrige danach aus. Das würde ein Kerl tun, der neu zu der Seite stößt. Er wird sich nicht gleich mit allem und jedem befassen.«
»Sondern er will die Lösung für seine Probleme finden«, schließt Leo.
»Genau.«
»Weiß jeder, was er zu tun hat?«, frage ich. Schweigende Zustimmung.
»Dann an die Arbeit.« Wir arbeiten bis spät in den Nachmittag, jeder vor seinem Computer, und lesen uns durch das Forum, blicken in die Chatrooms, schauen uns Fotos an.
Da geht es um Sex und deshalb auch um Wut und vor allem um Schmerz, unterschwellig wie bei einer schleichenden Vergiftung. Die Wut steht an oberster Stelle; sie schreit am lautesten und ist am deutlichsten erkennbar, aber der Schmerz ist der Treibstoff, der den Motor am Laufen hält.
Wenn die Wut den Schmerz übersteigt, kommt es zum Mord, und genau danach suche ich auf der Website. Da sind Männer, einige wenige, die den Punkt, an dem sie ihren Schmerz spüren, längst hinter sich gelassen haben. Nur ihre Wut, die sich zu Raserei gesteigert hat, treibt sie noch an.
Ein Mann schreibt: Gott, manchmal hasse ich meine Ex. Ich wünschte, sie würde sich endlich verpissen und krepieren. Der Zorn ist präsent bei diesem Mann, hat ihn aber noch nicht übernommen. Er trauert noch, ohne zu wüten.
Ein anderer schreibt: Die Feministinnen haben die Kultur der Männlichkeit so gut wie zerstört. Wir müssen unser Recht, Männer zu sein, wieder in Anspruch nehmen, und die Frauen, die anderer Ansicht sind, mal richtig durchficken. Noch ein zorniger Mann, doch seine Wut richtet sich gegen ein Prinzip, nicht gegen eine Person.
Und dann gibt es noch die, die ich in Gedanken die »dunklen Männer« nenne.
Manchmal liege ich nachts im Bett und denke an sie. An das, was sie mir angetan hat. Sie hat mit meinem besten Freund gefickt. Sie hat die Scheidung eingereicht und das Sorgerecht für meine Kinder bekommen. Sie hat mir mein Haus weggenommen und kriegt mein halbes Gehalt. Ich lebe jetzt in einer kleinen Wohnung, gehe jeden Tag arbeiten und bin stinksauer. Wenn ich nach Hause komme und allein essen muss, ersticke ich beinahe an meiner Wut. Aber nachts? Wenn ich im Bett liege und an sie denke? Manchmal schließe ich die Augen und bete zu Gott oder sonst wem, dass sie einen Schlaganfall bekommt oder dass sie in die Wanne steigt und sich die Pulsadern aufschlitzt oder dass ihr einfach das Herz stehen bleibt. Ich wünsche mir, dass sie tot ist. Ich
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