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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: FUEGO
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Holger-Archiv, das bereits fünfundvierzig Textmitteilungen enthielt, war diese:
    In seinem wahn, unkonventionell und gegen jede gesellschaftliche regel zu senden, hat mtv es längst zu einem psychopatischen gesamtauftritt gebracht!
    Es trafen auch schlichtere Botschaften ein, deren Rechtschreibung und Grammatik verrieten, in welchem Zustand der Verfasser war:
    Boah, bin ich vol. Im der ständige vertretung gibt pints für euro. War grad schon ihm. unser youtubevideo hat 27.367 views.

    Linus verbrachte den Freitag alleine in seiner Wohnung. Er vertrieb sich die Zeit mit Bügeln und Fernsehen. Später klampfte er eine Weile auf seiner Gitarre herum.
    Um nicht in alte Planes -Riffs zu verfallen, versuchte er krampfhaft, einen neuen Song zu schreiben, doch das einzige Fragment, das er zustande brachte, klang abgedroschen. Die leeren Akkorde waren in dieser oder ähnlicher Abfolge schon tausende Male benutzt worden, besonders häufig in den fünfziger Jahren.
    Was den Rhythmus anbelangte, in dem er das Riff spielte, da gab es kaum etwas Einfältigeres als den von ihm gewählten Vier-Viertel-Takt. Linus versuchte ihn zu variieren, indem er einige Abwärtsschläge mit dem Handballen dämpfte.
    Vielleicht solltest du das aufnehmen, dachte er. Vielleicht wäre das ja einfältig genug für einen kommerziellen Erfolg. Diese Schlussfolgerung hätte von Holger stammen können, dachte er dann.
    Mit diesem Gedanken kam das schlechte Gewissen. Er hätte sich schon vor Wochen bei Holger melden müssen.
    Er stellte die Gitarre beiseite, sah zur Uhr und ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.
    Es war kurz vor fünf. Er wollte mit Jana ins Kino gehen. Ein Film von David Cronenberg. Jana hatte mittags angerufen und gesagt, sie werde gegen fünf mit einer Stange Baguette und frischem Käse bei ihm auftauchen.
    Sie würde sich ohnehin verspäten, dachte er und griff kurzerhand zum Telefon, um Holger anzurufen. Er war geduldig, ließ es klingeln. Er wusste, dass Holger sein Handy oftmals nicht hörte, wenn er es tief in der Tasche stecken hatte.
    Die Geduld zahlte sich schließlich aus. Holgers Stimme klang im ersten Moment wach und ausgeglichen. Doch schon im zweiten Satz mischte sich alkoholbedingtes Nuscheln hinzu.
    »Ist etwas laut hier«, sagte Holger.
    »Wo bist Du?«
    »Schnoor-Destille. Aber ich gehe … aber ich … ich gehe gleich heim. Linus? Bist Du noch dran?«
    »Ja, bin dran.«
    »Ich geh schnell und geh duschen. Und ’n Kaffee brauch ich. Kannst du mich dann noch mal anrufen? Meine Telefonkarte ist leer. Linus?«
    »Klar«, sagte Linus. Notfalls würde er mit Jana in die Spätvorstellung gehen. »So in einer Stunde?«
    »Gib mir zwei!« sagte Holger.
    Sie legten auf.
    Duschen und einen Kaffee trinken. Aus Holgers Mund klangen solche Aussagen oft ironisch. Jetzt meinte er es offensichtlich ernst. Er schien mit jemanden reden zu wollen. Mit jemand anderem als den Menschen an der Theke einer Kneipe.
    Als Jana um kurz nach halb sechs seine Wohnung betrat, bemerkte Linus etwas Merkwürdiges in ihrem Blick. Als habe sie soeben irgendetwas amüsiert.
    Aber er hatte keinen Witz gemacht und auch sonst hatte niemand einen Witz gemacht. Sie waren unter sich.
    Sie hatte ihm auch nicht berichtet, dass sie eine Gehaltserhöhung bekommen hatte und hatte vermutlich auch keinen Sekt getrunken. Sie war mit dem Auto gekommen.
    Sie stellte ihre Handtasche ab, machte aber keinerlei Anstalten, sich ihrer Jacke zu entledigen. »Du tust jetzt, was ich sage.«
    Für Linus klang das nach Filmdialog. Er machte einen Schritt auf sie zu und umfasste ihre Tallie.
    Sie hob die Augenbrauen. »Nichts da. Du musst tun, was ich sage.«
    Er ließ seine Hände fallen. »Zu Befehl.«
    »Zieh dir was Bequemes an, nimm dir eine Jacke und deinen Ausweis und etwas Geld. Und sieh nach, ob die Kaffeemaschine aus ist. Und komm mit.«
    »Kino? Kein Käse-Baguette?«
    »Mach.«
    »Vorher essen gehen?«
    »Los.«
    »Überraschung?«
    »Bitte.«
    »Wir gehen essen, richtig?« Er sah an sich hinab. »Ist alles bequem, brauche nichts zu ändern.«
    »Gut«, sagte sie. »Dann los. Hast du Geld?«
    »Klar.«
    »Und die Kaffeemaschine?«
    »Hatte heute keinen Kaffee.«
    »Gut. Dann los.«
    »Aye, Sir.«
    Sie verließen seine Wohnung. Sie nahm ihn bei der Hand wie ein Kind, zog ihn durchs Treppenhaus, raus auf die Straße und in ihr Auto, einen alten Mazda, der quer auf dem Bürgersteig vor der Haustür geparkt war. Sie hing an diesem Auto. Sie nannte es Madze.
    Sie

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