Ausgerockt - [Roman]
Arnes Nachlaß auf der Tischplatte vor und zurück, machte sich an einer kleinen Schale mit Keksen zu schaffen und lehnte sich zufrieden in dieser kleinen literarischen Ecke zurück.
Kurz darauf brachte Jana frische Luft in den schummrigen Raum. Sie hängte ihre Jacke an eine rustikale Garderobe am Eingang und setzte sich zu ihm. »Tut mir leid, hat ein bisschen länger gedauert.«
»Macht gar nichts.« Linus hob den Lenz-Roman an. »Hier kann man sich die Zeit ja gut vertreiben.«
»Also?«
»Was?«
Die Inhaberin, eine kleine gepflegte Frau mittleren Alters mit kurzen schwarzen Haaren und einer schmalen Lesebrille kam an ihren Tisch und umarmte Jana zur Begrüßung. Sie tauschten ein paar Sätze, erkundigten sich nach gemeinsamen Bekannten.
Jana bestellte eine Karaffe Valpolicella und einen Flammkuchen mit zwei Bestecken.
»Hab ich zu viel versprochen?« Sie lehnte sich auf den Tisch und stützte den Kopf auf die Hände.
»Du hast doch gar nichts versprochen.«
Sie lächelte ungeduldig. Sie brauchte jetzt Bestätigung. Und weil sie ihr gebührte, stellte Linus sich nicht quer. »Du hattest recht. Es ist ein gutes Konzept. Ich …«
»Ja?«
»Ich fühle mich hier sehr wohl. Falls du das meinst.«
»Ja. Erst mal meine ich das.« Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.
Linus beugte sich ihr entgegen und zog eine ihrer Hände unter ihrem Kinn hervor. »Du findest also, ich sollte so was auch machen?«
»Du sollst erst mal nur gucken.«
»Hattest du wirklich einen Termin?«
»Natürlich.« Seine Frage schien sie ernsthaft zu erstaunen. »Denkst du, ich fliege hier mit dir her, bloß um dir ein Café zu zeigen?«
Bevor er etwas sagen konnte, griff sie nach seiner anderen Hand. »Natürlich hätte ich das auch gemacht, aber mit dem Termin zusammen passte es doch gut.«
Ihre Bestellung kam. Jana drehte den Teller mit dem Flammkuchen vor sich hin und her.
»Wie war der Termin denn?«
»Och, wie so Termine halt sind. Langweilig. Man quatscht rum, betreibt Konversation, lernt sich kennen, damit man sich kennt, und dann sagt man wieder tschüs und beim nächsten Mal kennt man sich bereits.«
Linus lachte.
»Was denn?« Sie lächelte. »Das ist so. Die tun immer bloß alle so wichtig, aber im Grunde wollen sie sich nur beschnuppern und voreinander aufspielen. Wie damals auf dem Gymnasium.«
Linus lehnte sich zurück und sah sich an, wie sie den Flammkuchen vorsichtig mit einem Messer anschnitt.
»Du bist toll«, sagte er leise.
Das verunsicherte sie. Sie nahm sich selbst nicht so wichtig. Das machte sie für ihn umso wichtiger.
Sie schob sich ein Stück Flammkuchen in den Mund und kaute genüsslich.
»Danke«, sagte er.
Jana blickte auf. »Wofür?«
Sein Telefon piepte. Eine Kurznachricht.
»Dafür, dass du mir das hier gezeigt hast. Dass du mir so schöne Sachen zeigst.«
»Bitte«, sagte sie. Und kaute. Und lächelte.
Linus sah ihr noch eine Weile zu, dann schaute er auf das Handy-Display. Eine neue Nachricht. Jetzt lesen? Lesen.
wünsch dir einen schönen abend und ein schönes leben.
Er hatte Holger vergessen.
Für Linus waren die Momente, in denen er sich auf einer Tanzfläche wohlfühlte, äußerst selten. Er hatte noch nie gerne getanzt. Er mochte die schlichten unemotionalen Choreografien der Achtziger, aber die ließen sich auf einer Tanzfläche nicht darbieten. Er würde andere stören und sich außerdem lächerlich machen. Also versuchte er stets, so gewöhnlich zu tanzen wie die anderen.
Er tat es an diesem Abend für Jana. Nicht so oft wie sie, aber immer mal wieder. Es störte sie nicht, dass er seine Bierflasche mit auf die Tanzfläche nahm.
Jana tanzte weitaus entspannter als Linus. Sie kam dabei dicht an sein Ohr und sagte: »Sei locker.«
»Bin ich«, sagte Linus. »Sehe ich nicht so aus?«
Jana lächelte und schüttelte den Kopf.
Linus schaute sie an, das machte er schon den ganzen Abend. Nur deshalb war er auf die Tanzfläche gekommen. Um sie anzusehen, um bei ihr zu sein.
Jana tanzte nicht sehr extrovertiert, ihre Bewegungen sahen in keiner Weise sexuell motiviert aus, sondern schlicht niedlich, beinahe unschuldig.
Der Anblick machte Linus glücklich. Er erinnerte ihn an die Mädchen auf den Schulfeten, als er in die siebte Klasse ging. Jana lächelte ihn immer wieder durch diesen Vorhang aus glänzenden braunen Haaren hindurch an. Sie tanzt einfach nur für sich, dachte er, und er fragte sich, warum er das nicht auch konnte.
Dann fiel Linus der Typ auf. Der
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