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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: FUEGO
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was?«
    »Nicht direkt.«
    »Familie?«
    Der Ire zog die Augenbrauen hoch, als wolle er Linus auffordern, das zu bestätigen. Und so nickte Linus und der Beamte sagte: »Ja.«
    Rauschen und Knacken. »Dann schick ihn hoch.«
    Sander war ein kleiner Mann. Linus fiel neben der Größe zuerst die vernarbte Gesichtshaut und das volle Haar auf. Sander trug eine Uniform, eine mit drei Sternen auf der Schulterklappe. Er befand sich am Turmaufgang des Gebäudes.
    Es war noch ein zweiter Beamter zugegen. Er stand an der Fahrstuhltür und fummelte gelangweilt an seinem Funkgerät herum.
    Das Misstrauen stand Sander ins Gesicht geschrieben, als Linus ihm klarzumachen versuchte, dass er die angekündigte Familie war. Dennoch weihte Sander ihn mit wenigen prägnanten Sätzen in die Lage ein.
    Er erklärte ihm, dass man zunächst in Erwägung gezogen hatte, sich einfach zurückzuhalten. Man sei davon ausgegangen, dass die Konstruktion nicht fliegen würde. Da die gefährdete Person sich auf dem zurückgesetzten Turm befände, würde er lediglich drei Meter tief auf den Gebäudevorsprung runterstürzen. Ein paar Knochenbrüche vielleicht. Damit würde man leben können.
    Doch jemand wandte ein, dass es möglich sei, dass sich der Drachen über die drei Meter bis zum Abgrund bewegen könne, wenn er im falschen Moment Auftrieb von einer Windböe erhalte. Da es sich aber nur um unkontrolliertes Segeln handeln konnte, sei ein Absturz danach so gut wie sicher.
    Abgesehen davon, dass man es ohnehin nicht zulassen könne, dass ein abgewrackter Freak in das Büro eines bundesweit bekannten Musikfernsehsenders flog.
    Als Sander seinen Kurzvortrag beendet hatte, stand ihm unverändert deutliche Skepsis ins Gesicht geschrieben. Offensichtlich war ihm klar, dass Linus kein Familienmitglied war.
    Aber es schien ihm nicht so wichtig zu sein. Anstatt sich einen Ausweis zeigen zu lassen und irgendwelche Fragen zu stellen, bot er Linus an, ihn auf das Turmdach zu bringen.
    Linus’ Verhältnis zu Holger war dem Beamten also egal, solange er nur irgendwie dazu beitragen konnte, diese Situation zu einem schnellen, unkomplizierten Ende zu bringen.
    Linus versuchte, verständig und besonnen zu wirken. Keine einfache Sache, denn er befand sich unter zeitlichem Druck. Holger würde auf niemanden warten. Das Fernsehen war da, einen Mangel an Zuschauern konnte er nicht beklagen, und Holger verstand das alles hier sicher nicht als Warnung, als Hilferuf, verbunden mit der Hoffnung, man würde versuchen, ihn umzustimmen. Nein, Holger hatte sich fest vorgenommen, mit der Spitze dieses verdammten Drachens in das Büro dieses Fernsehsenders zu fliegen. Er wollte das. Er wollte es ebenso, wie er am Bremer Roland eine Revolution für gute Musik hatte starten wollen, ebenso, wie er den Leuten von DSDM beim Casting auf die Bühne hatte pinkeln wollen, ebenso, wie er für Linus hatte da sein wollen, neulich, als sie betrunken an der Weser gelegen hatten. Er hatte das alles gewollt und er hatte es getan. Und diese konsequente Statistik war angesichts der jetzigen Situation ziemlich beunruhigend.
    »Es wäre vielleicht gut, wenn ich da alleine rauf könnte.«
    »Wenn sie da rausgehen, springt er«, entgegnete Sander.
    »Der springt, wenn ich nicht rausgehe«, sagte Linus.
    Und Sander dachte nach.
    Eine ganze Weile standen sie an der kleinen Treppe, die auf das Dach des Turmes führte. Es roch nach feuchtem Putz und Beton und der Wind pfiff durch die Ritzen der Stahltür. Linus war nervös. Er rechnete damit, dass Sander eine Entscheidung von höherer Stelle einholen würde, um sich selbst abzusichern.
    Dann aber machte Sander klar, dass er trotz seines jungen Alters selbst der Entscheidungsträger war. Und womit sollte er das besser tun als mit einer Entscheidung?
    Er stieg von der ersten Stufe, lehnte sich an die graue Wand am Fuß der Treppe und gab Linus mit einer Handbewegung den Vortritt.
    »Bevor Sie da rausgehen, machen Sie ihm unbedingt klar, dass Sie kein Polizist sind.«

Der Himmel war zu einer dem Drachenflieger würdigen Kulisse geworden. Hinter weißen Wolkenschleiern leuchtete die tief stehende Sonne rot hervor. Bald würde sie hinter den Häusern der Stadt verschwinden.
    Linus fragte sich, ob die Sonne sich damit für immer von Holger verabschieden würde. Der Drachen würde nicht fliegen.
    Da stand er, Holger, rastlos und mit einem Hang zum Theatralischen, einer, der niemals für nur eine Sekunde den Eindruck vermittelte, sich mit dem, was er vorfand,

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