Ausgesaugt
zählen ihre Tageseinnahmen und rechnen sie in Bierflaschen um. Aber hier ist niemand.
Ganz früher waren die Parks von Manhattan nach Sonnenuntergang wie leergefegt. Nur zwei Arten von Menschen tummelten sich noch dort: böse Menschen und dumme Menschen. Aber etwa zu der Zeit, als ich mich in die Kanalisation verdrückte, war jeder Zentimeter der Insel rundum familienfreundlich geworden. Kleine Kinder spielten um Mitternacht in den Parks.
Jetzt herrscht eine völlig andere Atmosphäre.
Scheint so, als hätte der Park seinen alten Ruf wiedererlangt. Man meidet ihn nach Einbruch der Dunkelheit. Vielleicht ist er aber auch rund um die Uhr verlassen. Das würde einleuchten. Denn der Wind weht einen typischen Geruch in meine Nase, der mir sagt, dass man sich nach Möglichkeit vom Park fernhalten sollte. Außer man ist wirklich sehr, sehr dumm.
Da ich jetzt mitten hineinspaziere, bin ich wohl der König aller Dummbolzen.
Was der Wind mir in die Nase treibt, ist mein eigener Geruch. Der Geruch meines Blutes. Dieses Blut gibt’s dort massenweise, riesige Pfützen, getrocknet und gefroren, so dass man drauf ausrutschen und sich den Hals brechen kann. Diese Arschlöcher. Diese blöden, blöden Arschlöcher. Sie haben in aller Öffentlichkeit gekämpft. Haben sich vor aller Augen bekriegt und umgebracht. Die Spannung in der Luft, von der Chubby geredet hat, ist fast mit Händen zu greifen. Sie dringt aus verschlossenen Türen und heruntergelassenen Rollläden. Sie überschwemmt die leeren Straßen. Die Menschen spüren es: Die Stadt ist nicht mehr sicher. Sie gehört nicht mehr ihnen – wenn sie ihnen überhaupt je gehört hat.
Der Pfad, dem ich folge, schlängelt sich um einen Felsbrocken. Als ich dran vorbeigehe, stürzt sich ein Typ aus den Ästen über mir. Ich gehe ihm rechtzeitig aus dem Weg. Während er sich davon erholt, auf dem Asphalt statt auf mir gelandet zu sein, lege ich die Drahtsäge um den Hals, ziehe fest zu, ramme ein Knie in seinen Rücken und sein Gesicht in ein paar Glasscherben auf dem Boden. Ich reiße die Säge nach rechts und spüre, wie sie seine Luftröhre durchtrennt. Das Blut spritzt, und ich wende das Gesicht ab, als mir der brennende Säuregeruch des Vyrus in die Nase steigt. Dann spanne ich die Muskeln an, um seinen Hals mit einem weiteren Ruck zu durchtrennen, als mich ein Ast an der Schläfe trifft. Ich rutsche von dem Typen herunter, die Säge noch in der Hand. Am Draht kleben ein paar Fleischfetzen aus seiner Kehle. Ich krache gegen den Felsen, und meine Schulter wird ausgekugelt. Damit ist mein rechter Arm unbrauchbar, und ich muss die Pistole mit der Linken ziehen. Dann sehe ich mich nach dem Typen mit dem Ast um, und vor mir steht ein Kerl in so feinem Zwirn, dass selbst Chubby neidisch werden könnte.
– Drück nur ab, Motherfucker. Dann werd’ ich aber richtig sauer.
Das will ich nun auch nicht, also stecke ich die Waffe weg und versuche, meine Schulter wieder an die richtige Stelle zu rücken.
– Du solltest deinen Jungs sagen, dass sie besser ohne Parfüm auf Patrouille gehen sollen.
– Ich hab meinen Jungs gesagt, dass sie sofort auf jeden weißen Arsch ballern sollen, der in Sichtweite kommt. Aber der Motherfucker hier ist auf dem Ninja-Trip. Sitzt im Baum und glaubt, er wär’ der lautlose Attentäter oder so.
– Er hätte mich wahrscheinlich erwischt, wenn er nicht so gestunken hätte.
DJ Grave Digger, Präsident und oberster Kriegsherr des Hood, starrt unverwandt auf den Videobildschirm, selbst als er den Sitz zurückklappt, in den er montiert ist.
– Hast du das gehört, Jenks? Er sagt, dass dich dein Rasierwasser verraten hat. Hast du schon mal einen Kung-Fu-Film gesehen, Mann? Wie viele Ninjas sprühen sich wohl vor dem großen Fight Calvin Klein in die Fresse, Motherfucker?
Der Typ auf dem Beifahrersitz sagt gar nichts. Was wahrscheinlich daran liegt, dass ich ihm die halbe Kehle rausgerissen hab. Er gibt nur einen Laut von sich, der irgendwo zwischen Gurgeln und Röcheln anzusiedeln ist. Das Durcheinander aus Knorpelmasse und Hautfetzen muss sich erst richtig sortieren, bevor er wieder einen vernünftigen Ton rauskriegt.
Digga schaut vom Bildschirm auf und beugt sich leicht vor.
– Motherfucker, dass du mir ja nicht meinen Escalade vollblutest. Oh Mann! Mach, dass du deinen blutenden Arsch hier rausschiebst. Jetzt gleich, Motherfucker!
Jenks und sein blutender Arsch verlassen das Auto und schließen die Tür. Jetzt bin ich mit Digga
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