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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ungeöffnete Schachteln mit Briefpapier, die sie vermutlich geschenkt bekommen hatte und die gewiss nicht ihrem Geschmack entsprachen – es sei denn, sie schwärmte für Karten mit kleinen Kätzchen und putzigen Sprüchen darauf. Keine private Korrespondenz. Die Schubladen in der Kommode aufgeräumt.
    Ich inspizierte den Schrank, wo mehrere leere Bügel auf die Zahl verschwundener Kleidungsstücke hinwiesen – nach meiner Zählung sechs. Zu den Dingen, die sie dagelassen hatte, zählten ein marineblauer Blazer und eine Bomberjacke aus Leder, die schief auf dem Bügel hing. Ich konnte nicht wissen, was sie eingepackt hatte. Ich wusste ja nicht einmal, wie viele Koffer sie besaß und wie groß diese waren. Beiläufig ging ich die Sachen durch und dachte an Kleidungsstücke zurück, in denen ich sie gesehen hatte. Ich fand weder ihre Stiefel noch einen der Pullover, an die ich mich erinnerte – einen aus roter Baumwolle und einen dunkelblauen mit Kapuzenkragen. Beide hatte sie in den ersten Tagen nach ihrer Haftentlassung getragen, ein Hinweis darauf, dass es möglicherweise ihre Lieblingsstücke waren und sie sie unterwegs dabeihaben wollte.
    Ich ging ins Badezimmer, das fast kahl war: gelbbraune Mar-morfliesen und eine ebensolche Ablagefläche, makellos geputzte Spiegel und der Geruch nach Seife. Das Medizinschränkchen war leer. Kein Deo, kein Eau de Toilette, keine Zahnpasta. Keine rezeptpflichtigen Medikamente. Auf der Marmorfläche war an der Stelle, wo ihre Zahnbürste gelegen hatte, ein weißer Fleck. Im Wäschekorb fanden sich Bluejeans, T-Shirts, Unterwäsche und ein noch leicht feuchtes Badetuch, das ganz oben hineingestopft war. Die Duschwanne war trocken, der Abfalleimer leer.
    Ich kehrte zum Schrank zurück und studierte ihre Sachen. Dann nahm ich die Bomberjacke vom Bügel und durchsuchte die 321
    Taschen. Darin fand ich ein paar Münzen und einen Abschnitt von einem anonymen Rechnungsblock, der bezeugte, dass sie für einen Cheeseburger, Chili-Pommes und ein Cola bezahlt hatte.
    Weder das Datum noch der Name des Lokals waren genannt. Ich steckte den Beleg ein und hängte die Jacke wieder auf den Bügel.
    Dann verließ ich das Zimmer und ging auf demselben Weg zurück. Als ich an Nords Schlafzimmer vorbeikam, blieb ich stehen und legte den Kopf an die Tür. Ich hörte dumpfe Stimmen, vor allem die von Lucinda, die beleidigt klang. Jedes weitere Gespräch mit Nord würde warten müssen. Ich ging nach unten und suchte den hinteren Teil des Hauses auf.
    Die Haushälterin saß am Küchentisch. Sie hatte Zeitungs-papier ausgebreitet und zwölf Besteckgarnituren aus massivem Silber, zwei silberne Wasserkrüge und etliche Silberbecher darauf verteilt. Einige der aufwändiger verzierten Stücke hatte sie mit einem Polierspray besprüht, das nun beim Trocknen eine seltsame Pinkschattierung annahm. Das Tuch, mit dem sie die Besteckteile polierte, war schwarz von dem entfernten Beschlag.
    Ihr dünnes, graues Haar trug sie in Locken gelegt und zu einer löwenzahnartigen Aureole zurückgekämmt, wobei an mehreren Stellen die Kopfhaut hindurchschimmerte.
    »Hi, Freddy«, begrüßte ich sie. »Ich habe gerade mit Mr. Lafferty geplaudert. Er sagt, Sie hätten Reba an dem Abend noch gesehen, ehe sie verschwunden ist.«
    »Beim Rausgehen«, sagte sie, an einen Löffel gerichtet.
    »Hatte sie Gepäck dabei?«
    »Ja – eine Reisetasche aus schwarzem Segeltuch und einen grauen Hartschalenkoffer auf Rollen. Sie trug Jeans und Stiefel und einen Lederhut, hatte aber keine Jacke an.«
    »Haben Sie sich unterhalten?«
    »Sie hat sich einen Finger an die Lippen gelegt, als wäre es unser kleines Geheimnis. Aber nicht mit mir. Ich arbeite seit sechsundvierzig Jahren für Mr. Lafferty. Wir haben keine Ge-322
    heimnisse voreinander. Ich bin schnurstracks in die Bibliothek gegangen und habe ihm Bescheid gesagt, aber bevor ich ihn auf die Beine gebracht hatte, war sie weg.«
    »Hat sie irgendetwas über ihre Pläne gesagt? Irgendetwas über eine Reise?«
    Freddy schüttelte den Kopf. »Es gab mehrere Anrufe, aber sie war immer als Erste am Apparat, daher habe ich nie gehört, wer dran war. Ich weiß nicht einmal, ob der Anrufer ein Mann oder eine Frau war.«
    »Sie wissen, dass sie gegen die Bewährungsauflagen verstößt, wenn sie Kalifornien verlässt«, erklärte ich. »Sie könnte wieder im Gefängnis landen.«
    »Miss Millhone, so gern ich Reba mag, ich würde nie
    Informationen zurückhalten oder sie in irgendeiner Form

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