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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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verbringst die ersten drei Wochen jede Nacht mit ihr. In der vierten Woche zieht sie bei dir ein. In der fünften seid ihr verlobt und in der sechsten verheiratet und auf Hochzeitsreise. Ist es so gelaufen?«
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    »Nicht ganz, aber beinahe. Warum, stört dich das?«
    »Nein, nein. Ich wollte nur wissen, wie viel Zeit mir bleibt, um die Einladungen zu verschicken.«

    Cheney begann seine Führung für mich mit den Räumen im Erdgeschoss. Das Haus war über hundert Jahre alt und spiegelte eine Lebensart wider, die schon lange nicht mehr existierte. Die alten Kamine, Türen, Fensterrahmen und Fußleisten aus Mahagoni waren zum größten Teil noch intakt. Überall waren hohe, schmale Fenster, hohe Decken und Oberlichter über den Türen, die die Luftzirkulation begünstigen sollten. Es gab fünf funktionierende offene Kamine im Erdgeschoss und vier weitere in den Schlafzimmern im ersten Stock. Der Salon (ein Begriff, der mittlerweile genauso ausgestorben ist wie die Dinosaurier) ging ins Damenzimmer über, an das sich wiederum eine hübsche, mit Fliegengittern geschützte Veranda anschloss. In der daneben liegenden Waschküche standen noch die alten Doppelbottiche mitsamt einem Holzofen, auf dem man Wasser erhitzen konnte.
    Cheney war gerade dabei, das Wohnzimmer zu renovieren, daher war der Hartholzboden mit Abdeckplanen ausgelegt. Die Tapeten hatte er mit Dampf von der Wand gelöst, so dass sie nun in ermattet aussehenden Klumpen auf dem Boden lagen.
    Der Verputz war bereits ausgebessert, und die Fensterscheiben waren in Vorbereitung auf die Malerarbeiten abgeklebt. Er hatte eine der Türen ausgehängt, sie über zwei Böcke gelegt und mit Segeltuch abgedeckt, um eine Ablagefläche für die Werkzeuge zu haben, die er gerade nicht brauchte. Die Beschläge –
    Türknäufe, Sicherungsbleche, Fensterriegel und -griffe – lagen durcheinander in Pappkartons, die in einer Ecke standen.
    »Seit wann hast du das Haus?«
    »Etwas über ein Jahr.«
    Weitere Abdeckplanen zogen sich durch eine Schiebetür mit 259
    Glaseinsätzen bis ins Esszimmer, das nur in geringfügig besserem Zustand war. Leiter, Farbdosen, Bürsten, Walzen, Farbwannen und Mülltüten – ganz zu schweigen vom Geruch –
    bezeugten, dass er Vorarbeiten geleistet und gestrichen hatte, auch wenn er Beschläge und andere Eisenteile, die auf sämtlichen Fensterbrettern herumlagen, noch nicht wieder angebracht hatte.
    »Das ist das Esszimmer?«
    »Ja, aber das Paar, dem das Haus gehört hat, hat es als Schlafzimmer für die betagte Mutter der Frau benutzt. Sie haben die Spülküche zu einem behelfsmäßigen Badezimmer umgebaut, also habe ich als Erstes Toilette, Dusche und Waschbecken herausgerissen und die eingebauten Geschirrschränke und Besteckschubladen restauriert.«
    Auf einmal stand ich am Erker der Esszimmerfenster und ertappte ich mich dabei, wie ich in die Küche von Neil und Vera nebenan blickte. Cheneys Einfahrt verlief parallel zu ihrer, nur durch einen schmalen Streifen Gras getrennt. Ich sah Vera an der Spüle stehen, wo sie Teller unter den Wasserhahn hielt, ehe sie sie in die Spülmaschine stellte. Neil saß mit dem Rücken zu mir auf einem Hocker an der Arbeitsfläche und plauderte mit ihr, während sie ihren Verrichtungen nachging. Da die Kinder nirgends zu sehen waren, lagen sie vermutlich schon im Bett.
    Ich werde selten Zeugin auch nur der flüchtigsten Momente eines Ehelebens. Gelegentlich verblüfft mich der Anblick eines dieser Paare in Restaurants, die sich während der gesamten Mahlzeit keines Blickes würdigen und kein Wort miteinander wechseln. Es ist eine beängstigende Vorstellung: sämtliche alltäglichen Reibereien ohne jegliche Kameradschaft.
    Cheney nahm mich von hinten in die Arme, legte sein Gesicht an meine Haare und folgte meinem Blick. »Eines der wenigen glücklichen Paare, die ich kenne.«
    »So scheint es zumindest.«
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    Er küsste mich aufs Ohr. »Sei nicht so zynisch.«
    »Ich bin aber zynisch. Genau wie du.«
    »Ja, aber ganz tief drinnen haben wir auch eine optimistische Ader.«
    »Das glaubst auch nur du«, sagte ich. »Wo ist die Küche?«
    »Hier entlang.«
    Die Vorbesitzer hatten die Küche massiv umgebaut, so dass sie nun mit ihren Arbeitsflächen aus Granit, den Edelstahl-geräten und der High-Tech-Beleuchtung einen hochmodernen Anblick bot. Statt dem allgegenwärtigen viktorianischen Ambiente des Hauses Abbruch zu tun, strahlte alles eine wunderbare Aura von Hoffnung und gelebter Tüchtigkeit aus.
    Ich

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