Ausgetanzt
kommen leider immer wieder vor. Die Männer
wollen es nicht wahrhaben, wenn die Frau sie verlässt. Sie lungern hier herum,
bedrohen uns und die Bewohnerinnen. In dem Fall war es der Mann von einer, die
wieder zurück zu ihm ist. Wir möchten die Frauen zwar stärken, aber es ist ihre
Entscheidung, was sie tun. Wir haben natürlich Anzeige gegen den Mann
erstattet, der Caro nachgegangen ist.«
»Am besten wird es sein, du weist die Kriminalpolizei darauf
hin.«
»Natürlich. Aber die sollten die Anzeige eigentlich sowieso
finden, oder?«
»Hm«, machte Berenike. »Kannst du mir mehr über die Frauen
erzählen, die dabei waren, als wir Caro gefunden haben?«
»Was soll ich dir über sie noch sagen?« Selma verschränkte
die Arme.
»Selma, bitte! Caro ist tot. Ich bin nicht deine Feindin. Ich
will Caros Mörder finden. So wie du.«
Die Frauenhauschefin atmete tief durch. »Also gut. Aber das
bleibt unter uns, ja? Caro wollte unsere Weiberbande auf eine neue Stufe des
Kampfes einschwören. Wozu es nicht mehr kam.«
»Eine neue Stufe des Kampfes?«
»Ja. Keine Gewalt ohne Antwort, hat Caro gesagt. Ich kann das
nur voll unterstützen.«
»Wieso wollte sie das gerade jetzt?«
»Kannst du dir das nicht denken? Du hast doch sicher vom
Nagelreiter gehört. Der Mann, der wegen Mordverdacht in Untersuchungshaft saß
und aus Mangel an Beweisen freikam. Das war zu viel für Caro und auch für mich.
Und dann die Graffiti, die ständig überall auftauchen. Frauen, seid demütig zu
eurem Herrn! So ein Mist. Da muss man was tun dagegen! Ich kann sie nicht mehr
ertragen, diese erzkonservativen Stammtischler mit ihrer Doppelmoral. Wie sie
sich ihre devoten Weibchen aus Asien bestellen. Manchmal ist Caro mit einem
dieser Männer in die Kiste gehüpft. Das gehörte zur Freiheit dazu für sie. Die
haben von der Heiligkeit der Ehe gefaselt und Caro als Hure beschimpft.
Fanatiker, die sich freuen, dass die Kirche sie als Täter schützt. Homosexuell
darfst sowieso nicht sein.« Wütend beugte sich Selma vor und blitzte Berenike heftig
atmend an.
»Jetzt sag mir endlich, was mit dem Nagelreiter ist,
bitte.«
»Du weißt es nicht? Ich hab ein paar seiner Opfer
kennengelernt. Er war zuerst total nett zu ihnen. Sie haben mir erzählt, wie er
sie verwöhnt, ihnen jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat. Er hat sich als
Masseur ausgegeben und das gefiel seinen Opfern natürlich. Es war wohl eine
sehr starke erotische Komponente dabei, zunächst auf beiden Seiten. Doch wenn
sie ihm dann hörig waren, bumm, war Schluss mit lustig. Da schaust du, gell.
Hast dir die heile Welt anders vorgestellt, was?«
Früher ja, wollte Berenike einwerfen, jetzt nicht mehr.
Aber sie schwieg und nippte am Tee. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Ist dir die
Butter eh nicht schlecht geworden neulich?«
»Was für eine Bu… Ach so, ja, das ist gut gegangen.«
»Geh, komm, Selma, verscheißer mich nicht. Was war wirklich
in dem Flascherl? Butter wohl kaum. Buttersäure, nehme ich an?«
»Wenn du es eh weißt, was fragst dann?« Die
Frauenhausleiterin lehnte sich in ihrem Sitz zurück, kühl sah sie Berenike an,
trotz des heißen Zorns, der aus ihrem Körper sprach.
»Was hast du mit der Buttersäure vorgehabt?«
»Das war ein Scherz. Das hast du nicht ernsthaft geglaubt?
Wir machen uns doch nicht strafbar. Nicht wegen so einem Schwein.«
Ein Telefon klingelte. »Ja bitte?« Gleichzeitig kam wieder
wer herein.
»Selma, ich brauch deine Hilfe!« Die Pyjamafrau von vorhin,
diesmal in einen blauen Rock und eine Bluse gekleidet. »Oh, entschuldige.« Sie
hielt sich so aufrecht wie die Vorzugsschülerin in einer Privatschule.
Selma deutete ihr, draußen zu warten. Sie legte auf.
»Berenike, ich hab zu tun. Ich muss mich von dir
verabschieden. Milena wird dich rauslassen.«
Als sie längst im Zug Richtung Wien saß,
verschränkte sie die Beine auf dem gegenüberliegenden Sitz und ließ das
Gespräch mit Selma Revue passieren. Berenike wusste, dass sie auf sie reagiert
hatte. Und sie wusste, dass Selma es wusste …
Was für ein Abenteuer. Noch war sie keinen Schritt
weitergekommen in ihren Ermittlungen. Amélie, die sie nach Wien schickte, weil
sie Mehmet, ihren Mann, mit der Toten in Verbindung brachte. Selma, die jede
Art von Attacke abstritt und mit Caro als Mitarbeiterin ihre Brösln gehabt
hatte. Dazu die Friseurin Katharina mit ihren seltsamen Schließzeiten und der
Art, wie sie Sven in Schutz nahm. Und Ellen … Ellen schien die Einzige zu
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