Ausgetanzt
habe verschlafen.«
»Macht doch nichts«, war eine andere Stimme hinter ihr zu
hören. »Du hast doch nichts vor, oder?«
»Ich habe heute meine Gerichtsverhandlung.«
»Oh.«
»Rachida, es wird schon!«, winkte ihr Selma zu. »Du weißt,
Anna begleitet dich.« Die beiden gingen weiter.
»Ja, Berenike. Es ist erschreckend, dass jetzt eine von uns
von der allgegenwärtigen Gewalt getroffen wurde. Ich kann es noch kaum fassen,
dass eines dieser Arschlöcher, verdammt noch mal, Caro getötet hat.« In Selmas
Stimme schwangen Tränen der Wut mit. Sie schlug auf den Tisch, die Tasse machte
einen zornigen Sprung. »Und ich kannte sie so lange.«
»Ach ja, ihr habt von der WG gesprochen, in der du mit Caro
und Gerhild gelebt hast. Habt ihr euch von früher gekannt?«
»Man kennt sich hier einfach.« Selma zuckte die Achseln.
»Gerhild und ich wollten beide nach Wien gehen nach der Schule. Also haben wir
uns gemeinsam eine Wohnung gesucht. Ein wenig später lief uns Caro wieder über
den Weg.«
»Warst du an ihr … interessiert?«
»Ich? Steht auf meiner Stirn, dass ich lesbisch bin?« Selma
setzte sich aufrecht hin und fing schallend zu lachen an. Von draußen pressten
zwei Kinder ihre Gesichter gegen die Glasscheibe, sie sahen aus wie neugierige
Frösche.
»Ich hab mit Amélie gesprochen und …«
»Ach, Amélie. Die sehnt sich insgeheim auch nach Abwechslung,
wetten? Aber vor allem verträgt sie nicht, wenn jemand ihren tollen Hecht
niedermacht. Caro hat sich dabei kein Blatt vor den Mund genommen.«
»Ja, das hab ich gehört.«
»Geh, bitte, der Kerl gibt doch echt nix her. Nicht einmal
für eine Hetera! Oder?« Selmas Augen glitzerten, während sie Berenike neugierig
ansah.
»Ich kenn Mehmet nicht gut genug.«
Selma seufzte. »Er würde dir also auch gefallen.«
»Hässlich ist er nicht gerade.«
»Nein. Aber schleimig.«
»Das hat Caro auch gesagt, oder?«
»Ja, darin waren wir uns einig.«
»Wart ihr euch immer einig?«
»Geh, nein. Das geht gar nicht. Ich bin ihre Chefin, da
musste es Reibereien geben. Auch inhaltlich. Darüber, wie das Frauenhaus
geführt wird und wer es wie nach außen repräsentiert. Sie glaubte nicht mehr,
dass die bisherigen Aktivitäten was bringen.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja«, erläuterte Selma, »sie wollte keine Medienberichte,
beispielsweise. Die Frauen selbst stärken, das war ihr Ansatz. Deshalb hat sie
ihre Gruppe gegründet. Die ich übrigens sehr schätze. Du hast sie ja
kennengelernt.«
Lange und prüfend sah Selma Berenike an. Ja, dachte Berenike,
sie passte gut in eine Leitungsfunktion.
»Hat die Polizei schon eine Spur zu Caros Mörder?«, wechselte
Selma das Thema.
»Wieso fragst du mich das?«
»Du bist doch mit …«
»Na, bitte, net scho’ wieder. Nur weil ich Jonas kenn …«
»Ja ja, Männer. Dein Blick sagt mehr als tausend Worte,
Süße!« Selma legte ihr lächelnd eine Hand auf die Schulter. Ihre Brüste
drückten sich warm und fordernd in Berenikes Seite. Weich, tröstlich und … eine
Spur aufregend.
Selma grinste und lehnte sich wieder zurück. Unwillkürliches
Bedauern in Berenike über den Verlust einer Nähe, eines überraschenden
Gemeinschaftsgefühls, das sie mit Selma verbunden hatte. Ich bin wohl zu viel
allein, dachte Berenike. Dann sprach Selma weiter. »Ich muss wissen, wer Caro
auf dem Gewissen hat. Ich schwöre, ich war es nicht.«
Berenike räusperte sich. »Obwohl sie dich abgewiesen hat?«
»Woher willst du das wissen? Vielleicht haben wir eine
leidenschaftliche Nacht miteinander verbracht?«
»Du, Selma«, eine Frau kam ins Zimmer gesegelt. Sie stoppte
abrupt. »Oh, entschuldige«, murmelte sie zerknirscht. »Ich brauch nur eine
Unterschrift, aber ich kann später noch mal …«
»Schon gut«, sagte Selma. »Eine Mitarbeiterin«, ergänzte sie
Berenike gegenüber. »Aber klopf in Zukunft an, Milena, bitte!« Selma las das
Papier mit gerunzelter Stirn, sie schien konzentriert zu sein, gar nicht hübsch
sah sie dabei aus. Dann entspannte sie sich, fetzte ihre Unterschrift unter das
Dokument und hielt es ihrer Angestellten hin.
Heulend tobte der Wind in den Bäumen vor dem Fenster,
Regenschauer wurden gegen die Glasscheiben geworfen. Es zog durch die Fenster,
dass Berenike fröstelte. Was für ein Sommer.
Berenike trank noch einen Schluck von dem leicht rauchigen
Tee.
»Sag, Selma, Amélie hat mir erzählt, dass ein Mann Caro bis
in ihr Tanzstudio verfolgt hat. Weißt du mehr darüber?«
»Solche Attacken
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