Ausgetanzt
das einmal das Königreich Persien
war.« Traurigkeit hatte sich in das Gesicht der Kellnerin geschlichen. Berenike
wollte etwas antworten, da wurde sie sich einer Bewegung gewahr, nur aus dem
Augenwinkel. Sie traute ihren Augen nicht. Ihr Zielobjekt, Amélies Mehmet!
Schwer zu sagen, woher er so plötzlich aufgetaucht war. Taumelnd überquerte er
die Fahrbahn und peilte Güls Friseursalon an! Er schien getrunken zu haben,
dabei war Alkohol für Moslems doch tabu. So wie sie Mehmet bisher kannte, waren
ihm diese Gesetze wichtig, auch bei seiner Hochzeit hatte er nichts getrunken.
Berenike sprang auf, warf Geld auf den Tisch. Zerrte ungeduldig am Saum ihres
Kleides, der am Sessel hängen geblieben war. Ein Ratschen verriet gerissenen
Stoff, egal. Dafür war jetzt keine Zeit. Später würde sie sich umzieh …
Berenike richtete sich auf und glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Was Mehmet
da machte, das war …
Fünfzehn
… das war einfach nicht zu fassen! In knallengen
Jeans stand er in Güls Laden und … und umarmte die Mitarbeiterin Hepsen! Selbst
auf die Entfernung spürte Berenike die Vibrations zwischen den beiden, das
Knistern übertrug sich auf sie selbst. Ganz eng drängte sich Hepsen an ihn.
Shocking, diese Beobachtung. Zu blöd, dass sie keine Kamera dabeihatte. Wie
unprofessionell. Dann musste sie es mit dem Handy probieren. Wieder hastete
Berenike über eine Straße, wieder zerrte sie das Telefon hervor. Eine Tramway
klingelte ungeduldig, aber sie rannte weiter, und da stand Mehmet, direkt in
der Auslage. Noch immer schwankend, aber Hepsen hatte er losgelassen und wandte
sich ab. Zu spät für ein Beweisfoto.
Polternd riss Berenike nur Sekunden später die Tür des
Friseursalons auf. Sie überblickte rasch das Eckgeschäft. Viel los, kein Mehmet
mehr.
»Wo ist er?«
Gül kam auf sie zu. »Suchen Sie jemanden?«
»Was machen Sie hier?« Hepsens Blick wanderte über Berenikes
Kleid, blieb an ihrem zerrauften Haar hängen. Die junge Türkin strich sich über
ihr schwarzes Oberteil, das sich figurbetont an ihren Busen schmiegte.
»Ich suche Mehmet«, brachte Berenike keuchend hervor. »Oder
nennt er sich hier anders?«
»Von wem sprechen Sie?« Hepsen schien größer zu werden,
reckte die Schultern, in ihren Augen schwarze Blitze. »Was wollen Sie von ihm?«
»Schon verstanden.« Langsam kam Berenike etwas zu Atem.
»Was läuft hier?« Gül sah fragend von Hepsen zu Berenike und
wieder zu ihrer jüngeren Cousine.
»Das würde ich auch gern wissen«, sagte Berenike bestimmt.
Drohend näherte sich Hepsen ihrem Gesicht. »Was geht es Sie
an, wo mein Verlobter steckt?«
Berenike wich zurück. Sie wollte keinen Körperkontakt mit
dieser fast Unbekannten haben, ihr nicht zu nahe kommen.
»Verlobter? Besser, Sie setzen sich, bevor ich Ihnen die
Wahrheit erzähle. Die wird Ihnen nämlich nicht gefallen. Mehmet ist bereits
verheiratet.«
»Wie bitte?« Gül starrte Berenike wie eine Erscheinung an.
»Beleidigen Sie nicht meinen Verlobten!« Hepsen griff wie
nebenbei in das Wägelchen mit dem Frisierwerkzeug. Hatte plötzlich eine Schere
in der Hand. Eine kleine, spitze Schere. »Was er macht«, sie musste unerwartet
nach Atem ringen, »ist unsere Sache. Meine und seine. Nicht Ihre!«
Was für eine blöde, blöde Situation! Mit einer zusätzlichen
Verlobten hatten weder Amélie noch Berenike gerechnet. In dem Bemühen,
beruhigend zu wirken, legte sie Hepsen einen Arm auf die Schulter. »War Mehmet
am 31. Juli hier bei Ihnen?«
»Lassen Sie mich.« Hepsen schüttelte sie ab. »Das geht Sie
gar nichts an.«
»Ich …«
»Was poltern Sie eigentlich hier herein und machen meine
Cousine fertig?«, schnitt ihr Gül das Wort ab.
Berenike sah sie forschend an. »Sie haben doch auch was gegen
Männer wie Mehmet, die Frauen anlügen, stimmt’s?«
»Und wie!« Gül hatte Hitze im Blick. »Die arme Hepsen.«
»Aber …« Hepsen wollte auf Berenike losgehen, die Faust
erhoben.
»Lass das«, zischte Gül. »Kommen Sie«, wandte sie sich an
Berenike. »Und du, Hepsen, gib die Schere her. Ja, so ist es brav.« Sie nahm
der Jüngeren das Schneidewerkzeug weg und steckte es in die Tasche ihres
Arbeitsmantels. »Wir beide reden nachher.« Gül rief einer älteren türkischen
Angestellten etwas zu. Dann winkte sie Berenike, mitzukommen. Durch einen
Pausenraum gelangten sie zu einer Panzertür. Gül hielt sie für Berenike auf.
»Mehmet wohnt hinten, bei einem Onkel, der schon lange hier arbeitet.
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