Ausgeträllert (German Edition)
die Kartoffelmasse für die Reibekuchen fertig?«
Er nickte und tippte mit dem Finger auf den Zettel mit meiner Arbeitsanweisung.
»Blutwurst schneiden … iiiih, kannst du nicht …?«
Raoul schüttelte den Kopf.
»Musst du mich quälen?«
Raoul nickte und hielt mir Gummihandschuhe hin. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Eimer ins Kühllager zu schleppen und den großen Plastikcontainer mit den Blutwürsten wieder rauszutragen.
»Hasse du Deckel auf die Eimer?«
»Natürlich«, sagte ich und machte die Wurstschneidemaschine startklar.
»Nisse den Tisch. Das isse für Gemuse! Diesse Tisch da, isse für Fleisch …« Raoul zeigte nacheinander auf die großen Arbeitstische: »Dasse Gemüse! Dasse Wurst! Dasse Rohfleisch! Dasse Geflügel!
No vals ni un pet de puta!
«
Ich verdrehte die Augen und schleppte Würste und Schneidemaschine zum nächsten Tisch.
»Und mache eine Ssentimeter. Exakt.«
»Ja-a. Das macht die Maschine. Du musst jetzt nicht mit dem Zentimetermaß kommen.«
»Wenn isse ssu dick, Garsseit stimmt nichte. Apfel isse verbrennt und Wurst isse nich knussprik. Wenn isse zu dünn …«
»Ja … ist der Apfel nicht durch und die Wurst verbrannt. Ich kann es mir lebhaft vorstellen.«
»Iss erkläre, wass du mache …
Joder!
De Wolfi kann dasse besse, weil er hörte mir ssu …«
Ich sah vor meinem geistigen Auge schon wieder die Messer fliegen – und zwar in meine Richtung, und sagte in versöhnlichem Ton: »Du kommst super mit Wolfi klar. Das kann nicht jeder.«
Ich stellte die Wurstmaschine auf exakt einen Zentimeter ein, zog die Gummihandschuhe an und drückte auf den Knopf. Das runde Messer sauste los. Die erste Wurstscheibe hielt ich Raoul entgegen, der beifällig nickte. »De Bruder von eine Freunde von mir isse au’so. Musik hilft, dass iss weiss.«
»Wir werden Wolfi mit aufs Schiff nehmen müssen. Ich hoffe, dass das gut geht.«
»Wird sson …« Raoul öffnete die Küchentür, spähte hinaus und klappte sie wieder zu. Als er sicher war, dass niemand in der Nähe war, sagte er: »Dasse Günni hatte auch’ne Waffel.«
»Du meinst, einen
an
der Waffel. Ja, hast du den blöden Sponsoring-Vertrag gesehen?«
»Ja. Hab isse geblättert, bevor isse gab das Winnie. Dasse ssusspekt. Und jetzt de Racic schickte de neue Vertrag.«
»Und was soll das? Ich hab dafür keine Erklärung.«
»Irgendwasse laufte hier …«
»Das glaube ich auch. Weißt du, was Jorgo mir gesteckt hat? Dass die hier froh sein sollen, dass Günni nicht mehr ist.«
Raoul zog das Messer aus dem Wandkalender, wischte es an einem Küchentuch ab und betrachtete die Klinge. »Diesse Jorgo isse ssusspekt. Die weisse viel und ssagte nix.« Raoul runzelte die Stirn und guckte mir dabei zu, wie ich die Blutwurst im Akkord mit der Maschine schnitt. »Passe auffe Finger …«
»Ja, ja …«, sagte ich und schon schrappte ich knapp an einer Katastrophe vorbei. Das Messer hatte nur Fitzelchen vom Gummihandschuh und die Spitze meines Fingernagels erwischt. »Oh … Das war …«
»Ssseisse, Maggie.«
Ich stoppte die Maschine und sagte kleinlaut: »Ja, Chef.« Das hatte ich in einer Dokumentation über berühmte Küchenchefs gesehen. Egal, wie es in deren Küchen grad zuging und wie der Chefkoch sich aufführte, antworteten alle Mitarbeiter immer brav mit
Ja, Chef!
, auch wenn ihnen Gemeinheiten an den Kopf geworfen wurden. Eigentlich wollte ich Raoul damit ein bisschen aufziehen, aber er grinste mich an und sagte sehr zufrieden: »Du lernsste dasse noch.«
»Ja, Chef«, sagte ich wieder. Da hatte ich endlich mal, wenn auch aus Versehen, was richtig gemacht, und sei es auch nur, dass ich, dank meines Fernsehkonsums, die richtige Anrede für das Küchenmonster gefunden hatte.
Er kam zu meinem Arbeitstisch, nahm eine der Blutwürste und schnitt sie mit dem Messer in einer Affengeschwindigkeit in exakt ein Zentimeter dicke Scheiben – ohne hinzugucken, denn er redete dabei einfach weiter. Ich starrte fasziniert auf seine Hände.
»He! Maggie. Was isse mit’de Petra los?«
»Äh … ja. Günnis Leiche ist von der Rechtsmedizin freigegeben worden. Petra war total neben der Spur, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte. Ich hab ihr Matti als Bestatter empfohlen.«
Raoul hielt inne, bekreuzigte sich und fuhr dann fort, die Wurst zu bearbeiten. »Da isse viele faul in de Ssweden …«
»Dänemark, Raoul, es heißt, ›faul im Staate Dänemark’. Fragt sich nur, wer hier den Pommeskönig umgebracht hat. Ich meine,
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