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Ausgeträumt

Ausgeträumt

Titel: Ausgeträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Er konnte sich nicht davon losreißen. Cindy war in voller Größe zu sehen. Sie trug einen Minirock mit Bluse. Die Bluse war tief ausgeschnitten.
»He, Bill, schau dir das mal an!«
»Ich war ihr dicht auf den Fersen, Bill. Ich hätt’ sie fast gehabt.«
Bill starrte das Foto an.
»Uhhh uhhh uhhh«, machte er.
»Ich muß das Foto wiederhaben. Ist ’n Beweisstück.«
»Oh. Na ja.« Er gab es mir widerstrebend zurück.
»Tja, wir müßten dich eigentlich festnehmen«, sagte Louie.
»Tun wir aber nicht«, sagte Bill. »Wir geben dir ’n Strafzettel, weil du hundertdreißig gefahren bist. Obwohls nur hundertzwanzig waren. Aber dafür kriegen wir das Foto.«
»Was?!«
»Hast du nicht gehört?«
»Das ist ja Erpressung!« sagte ich.
Bills Hand glitt zum Revolver.
»Was hast du gesagt?«
»Geht klar, hab ich gesagt.«
Ich gab ihm das Foto. Er füllte den Strafzettel aus. Ich stand da und wartete. Schließlich hielt er mir den Block hin.
»Unterschreiben.«
Ich unterschrieb.
Er riß den Strafzettel ab und klatschte ihn mir in die Hand.
»Fürs Bezahlen hast du zehn Tage. Wenn du Widerspruch einlegst, hast du vor Gericht zu erscheinen.«
»Danke, Officer.«
»Und fahr vorsichtig«, sagte Louie.
»Du auch, Kumpel.«
» Was? «
»Geht klar.«
Sie latschten zu ihrem Wagen und ich zu meinem. Ich stieg ein und warf den Motor an. Sie saßen da hinten in ihrer Karre und rührten sich nicht. Ich fädelte mich in den Verkehr ein und hielt mich an das Tempolimit.
Cindy, dachte ich, das laß ich dich büßen. Dafür krieg ich dich am Arsch, so was hast du noch nie erlebt.
Ich kam auf den Harbor Freeway und fuhr auf ihm nach Süden. Ganz mechanisch. Ohne zu wissen wohin.

12
    Ich fuhr den Harbor Freeway ganz runter und war jetzt in San Pedro. Ich fuhr die Gaffey lang, bog links in die Seventh Street ein und nach ein paar Blocks rechts in die Pacific Avenue. Nach einer Weile sah ich eine Bar, »The Thirst Hog«. Ich parkte und ging rein. Es war duster. Der Fernseher war aus. Der Barkeeper war ein alter Typ. Sah aus wie achtzig. Alles an ihm war weiß. Weißes Haar, weiße Haut, weiße Lippen. Zwei weitere alte Knacker, ebenfalls kalkweiß, saßen an der Bar. Ohne einen Drink. Keiner schien hier noch Blut in den Adern zu haben. Sie erinnerten mich an ausgesaugte Fliegen in einem Spinnennetz. Sie waren wie erstarrt. Weiß und starr. Ich stand am Eingang und sah sie an. Schließlich gab der Barkeeper was von sich: »Etch …?«
    »Hat hier jemand Cindy gesehn?« fragte ich. »Oder Celine? Den Red Sparrow?«
Sie starrten mich wortlos an. Einer von den beiden an der Bar kräuselte die Lippen und machten mit dem Mund ein kleines nasses Loch, als wollte er was sagen. Er brachte es nicht fertig. Der andere griff vorne in seine Hose und kratzte sich an den Eiern. Oder wo er mal welche hatte. Der Barkeeper rührte sich nicht. Er sah aus wie ein alter Pappkamerad. Ich kam mir auf einmal sehr jung vor. Ich ging an die Bar und setzte mich auf einen Hocker.
»Besteht die Möglichkeit, hier ’n Drink zu kriegen?«
»Etch …«, sagte der Barkeeper.
»Wodka-Seven. Ohne Zitrone.«
Die nächsten viereinhalb Minuten können wir streichen. So lange dauerte es, bis er mir den Drink brachte.
»Danke«, sagte ich, »und jetzt machen Sie mir bitte gleich noch einen. Solang Sie auf den Beinen sind.«
Ich trank einen Schluck. Nicht übel. Er hatte ja auch lange genug üben können.
Die beiden alten Knacker sahen mich von der Seite an.
»Schöner Tag, nicht?« sagte ich.
Sie gaben keine Antwort. Ich hatte den Eindruck, daß sie überhaupt nicht atmeten. Sollte man Tote nicht beerdigen?
»Sagt mal, wann habt ihr das letzte Mal einer Frau den Slip runtergezerrt?«
Von dem einen kam jetzt ein abgehacktes Kichern. »Heh, heh, heh, heh!«
»Ach – erst letzte Nacht, wie?«
»Heh, heh, heh, heh!«
»Wars gut?«
»Heh, heh, heh, heh!«
Ich bekam Depressionen. Mein Leben trat auf der Stelle. Ich brauchte gleißende Lichter, Glamour, irgendwas. Verdammt. Und da saß ich und redete mit Toten. Ich trank mein Glas aus. Das nächste stand schon da. Zwei Typen kamen rein. Mit Strumpfmasken.
» All right! « schrie der eine. » Keiner muckst sich! Brieftaschen, Ringe und Uhren auf die Bar! Dalli! «
Ich trank mein zweites Glas ex.
Der andere hechtete über die Bar und lief zur Registrierkasse. Er drosch mit der Faust drauf.
» Hey! Wie kriegt man das Scheißding auf?! «
Er sah sich angestrengt um und entdeckte den Barkeeper. Er richtete seine Waffe auf ihn. » He, Opa!

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