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Ausgewechselt

Ausgewechselt

Titel: Ausgewechselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Zannoner
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Leo schlug in die ausgestreckte Hand ein. Das Verlassen der Schule ähnelte einem Triumphzug nach einem siegreichen Match.

Zweite Hürde
    Ich fange wieder an mit Manlio zu trainieren, in dem Fitnessstudio, in dem er einige Stunden in der Woche arbeitet. Als ich ankomme, kümmert er sich nur um mich, wie ein Personal Trainer. Ich weiß nicht, was er mit den Leuten vom Fitnesscenter vereinbart hat, aber alle begrüßen mich freundlich, man kann fast sagen herzlich, sogar das junge Mädchen am Empfang, eine jener auffälligen Schönheiten, die ganz bewusst dort präsentiert werden, um möglichst viele Kunden anzulocken. Ihr ultraknappes T-Shirt lenkt den Blick des Betrachters auf ihr Bauchnabelpiercing, die enge Hose betont wie eine zweite Haut ihren knackigen Po, der direkt unter den Rücken geklebt scheint und auf dem man problemlos ein Glas abstellen könnte. Wenn sie nicht gerade die Ausweise der Mitglieder kontrolliert oder mit ihren langen, weiß lackierten Fingernägeln auf den Schreibtisch klopft, quält sie einige schon etwas ältere Damen mit »Spinning«, einem Gruppentrainingsprogramm, bei dem man auf einem Indoorbike sitzt und wie wild in die Pedale tritt. Und das Ganze im Rhythmus fetziger Musik und in der Hoffnung, auch so einen Marmorhintern zu bekommen.
    Manlio bringt mich in einen Raum, der in meinen Augen einer Folterkammer gleicht, eine Kraftmaschine neben der anderen, jede gezielt für einen bestimmten Körperteil. Bevor man mit dem Training beginnen darf, wird man taxiert wie ein Rind auf der Viehauktion: Bizeps, Trizeps, Brustmuskeln, Schultern, Nacken, obere Bauchmuskeln, untere Bauchmuskeln, fünf Minuten an jeder Maschine. Manlio wählt das Gewicht der Scheiben, kontrolliert den Bewegungsablauf, manchmal gibt er auch den Rhythmus vor. »Sechs, sieben, acht, und noch mal acht, los geht’s. Eins, zwei, drei … «
    Ich schwitze wie ein Schwein und wische mir mehrmals mit dem Handtuch über das Gesicht und den Nacken. Ich spüre, wie das Blut in meinen Adern pocht, das Feuer in meinem Körper macht mich euphorisch, nach all der Kälte, die ich in mir gespürt habe, als wäre mein Blut in den Venen kristallisiert. Manlio lässt mich nicht aus den Augen, manchmal ermahnt er mich, ich solle es langsam angehen und mich nicht vom Rausch der Kraft blenden lassen. Mit vor der Brust verschränkten Armen fixiert er jede meiner Bewegungen, wie ein glücklicher Bauer, der seinem Schwein beim Fressen zusieht.
    Ich habe keine Ahnung, was sein zufriedener Gesichtsausdruck zu bedeuten hat, vermutlich so viel wie: »Du kommst schnell voran, man kann die Fortschritte förmlich sehen.«
    Und dann, eines Tages, fährt er mich nicht in den Fitnessklub, sondern ins Rehazentrum.
    »Heute gibt’s eine Programmänderung, mein Junge.«
    »Und zwar?« Ich sehe ihn misstrauisch von der Seite an. Er ignoriert meinen Blick und konzentriert sich auf die Straße.
    »Wir treffen ein paar Freunde. Hast du keine Lust, Freunde zu treffen?«
    »Kommt darauf an«, sage ich vage.
    »Du wirst sehen, es wird dir guttun.«
    Im Rehazentrum bringt mich Manlio sofort in den Fitnessbereich. Er scheint sich bestens auszukennen, dabei bin ich es doch, der sich hier drei Monate gequält hat, und nicht er. Schon am Eingang höre ich Geräusche: aufprallende Bälle und Schreie. Dann dringt mir Gummigeruch in die Nase. Wir sind in der Basketballhalle, es findet gerade ein Training statt. Ich werfe Manlio einen finsteren Blick zu, aber er gibt sich unbeteiligt. Was geht hier vor? Was wollen wir hier? Mein Auftauchen bleibt nicht unbemerkt. Ein Pfiff ertönt, offenbar das Signal zur Pause, und ein muskulöser Typ mit einem Bandana um den Kopf und einem Ball auf dem Schoß rollt auf mich zu. Als er näher kommt, erkenne ich ihn. Es ist Ruben. Manlio hat recht, es gibt Freunde, deren bloßer Anblick einem Kraft gibt.
    »Es heißt, du wärst jetzt bereit«, beginnt Ruben und legt den Kopf schief, als ob er mich prüfen wollte.
    »Bereit für was?«
    »Mich herauszufordern.«
    »Hey«, protestiere ich, »ich kann nicht Basketball spielen.«
    Er wirft mir den Ball zu und ruft: »Fang!«
    Instinktiv strecke ich die Arme aus und packe den Ball mit beiden Händen. Ruben beäugt mich wie ein Falke. »Und jetzt versuch mir auszuweichen, du musst den Ball ganz nah am Körper halten.«
    Mit dem Ball in einer Hand dirigiere ich den Rollstuhl mit der anderen so, dass er eine halbe Drehung macht. Ruben schießt dabei auf mich zu, aber er verfehlt mich knapp. Er

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