Ausgezählt
auf zwanzig Pfund gesteigert.
Ausführliche Dehnübungen unter Janssens Anleitung. Bruno staunte, was der alte Coach alles draufhatte.
Zum Abschluss eine halbe Stunde lockerer Trab auf der Aschenbahn.
Janssen empfing ihn mit einem Handtuch. »Nimm zu Hause ein heißes Bad. Lauf ab morgen nicht mehr als zwei Kilometer in mittlerem Tempo. Keine Intervallläufe, keine Sprints. Am Kampftag nur ein langer Spaziergang. Iss leichte Sachen: Müsli, Obst. Kein Junk-Food, keinen Alkohol. Wir sehen uns übermorgen in der Philipshalle.«
Das Bad ließ Bruno ausfallen. Er duschte im Vereinsheim. Er zog sich an und tippte Karens Mobilfunknummer in sein Handy. Er bekam keine Verbindung.
Bruno wählte Irene an. Nur widerwillig gab die Studienrätin Auskunft. Karen sei zu Dreharbeiten unterwegs. Sie werde erst am Donnerstag zurückkehren. Angeblich habe Karen am Montag die Stadt verlassen, kurz nachdem sie das letzte Mal zu Hause gewesen sei, um ein paar Sachen zu holen.
Bruno war klar, dass das nicht stimmte.
Er rief noch einmal Karens Handy an. Offenbar war es ausgeschaltet.
Es war längst dunkel, als Bruno die Lortzingstraße in Meerbusch-Büderich erreichte. Der Flieder duftete. Die Türglocke am Haus der Lemkes spielte die Big-Ben-Melodie.
Sonja öffnete. Madame Dracula mit dem blassen Gesicht, die sich hinter herabgelassenen Jalousien verbarg und des Nachts auf Pirsch ging. Die oberste Spendeneintreiberin des Weißen Rings, die einsame Tante mit der Betonfrisur – tadellos toupiert und festgesprayt.
»Kommen Sie herein. Heute gibt’s einen 89er Chateau Gazin aus dem Pomerol.«
Das Fenster zum Garten war nicht verrammelt. Bruno vermisste den Mond, der sich beim letzten Mal im Teich gespiegelt hatte.
Er versank im Sessel. Der Rotwein war bereits eingeschenkt. Bruno entdeckte seine Visitenkarte, die noch immer in der Obstschale auf dem Couchtisch lag.
Er steckte die Nase ins Glas. Üppige Aromen.
»Ich hab Sie in Verdacht, dass Sie mir etwas vorspielen«, sagte die Ministergattin.
»Inwiefern?«
»Sie loben den Wein, aber Sie nippen nur davon.«
»Vor dem Kampf darf ich nichts trinken.«
»Vor welchem Kampf?«
»Lesen Sie keine Zeitung?«
»Lokalnachrichten interessieren mich höchstens, wenn ein Bekannter wie Heinz Klee gestorben ist. Geht es um Sport oder um eine Auseinandersetzung vor Gericht?«
»Ich bin Amateurboxer. Das Präsidium veranstaltet einen Benefizkampf zugunsten der Hinterbliebenen vom 26. November. Ein Polizistenmörder hat im Herbst drei Kollegen erschossen.«
»Das weiß ich. Der Amokläufer, der sich schließlich selbst das Leben genommen hat. Tragische Sache. Hat mir außerdem einen widerlichen Schautag an der Seite Lemkes eingebrockt.«
»Jedenfalls spiele ich Ihnen nichts vor. Ich trinke gern ein Glas Wein, zumal ich sonst nie solche Tropfen zu verkosten bekomme.«
»Erlauben Sie mir, dass ich Sie in mein Testament aufnehme. Nicht alle Kisten im Keller gehören Lemke.«
Sie macht Scherze, dachte Bruno. Dracula-Humor.
Sonja Lemke hob ihr Glas. »Deshalb habe ich Sie eingeladen. Ich versuche, Ordnung in mein Leben zu bringen.«
Er nippte nur.
Sie schmatzte und befand, dass der Chateau Gazin noch Reifungspotenzial besitze. Kräftige Tannine, adstringierend am Gaumen.
»Welche Temperatur hat Ihr Keller, Bruno?«
»Ich hab nie nachgemessen.«
»Hauptsache, die Schwankungen sind nicht zu groß.«
Er fragte sich, ob Sonja schon zuvor gebechert hatte. Manche Sätze klangen etwas vernuschelt. Ihr Blick wanderte unstet.
Bruno bemerkte: »Es gab Streit zwischen Heinz Klee und Ihrem Mann, und Sie wussten davon.«
»Stimmt. Was haben Sie darüber noch erfahren?«
»Ich vermute, es hatte mit dem Unfall der Freundin Ihres Mannes zu tun. Maria Buchmüller, Februar 1991.«
Sie sagte: »Der Tod dieses Flittchens war nur in zweiter Linie die Folge eines Verkehrsunfalls.«
Jetzt beichtet sie gleich, dass sie ihre Nebenbuhlerin ermordet hat, dachte Bruno. Manipulationen an der Bremse. Nachts im Bergischen dem Opfer das Blut aus dem Hals gesaugt..
Die Ministergattin schwenkte ihr Glas. Die rote Weinpfütze kreiste. Bruno vernahm, dass aus einem entfernten Raum leise Musik drang.
Sonja sagte: »Auf der Beerdigung machte Heinz Andeutungen, die ich nicht verstand und die mich neugierig machten. Später zog ich meinem Mann nach und nach die Wahrheit aus der Nase. Es ging ihm nicht gut. Er trank zu viel und hatte ein enormes Mitteilungsbedürfnis. Wissen Sie, was Lemke mir später
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