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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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einer Infektion, die selbst die Ärzte der Uniklinik nicht in den Griff bekommen hatten. Lara hatte tagelang am Bett des kleinen Fabian gewacht. Nach dem letzten Schnaufer des Säuglings schloss sie sich auf der Personaltoilette ein.
    Das Blut war bis in den Vorraum geflossen. Eine Krankenschwester hatte Lara noch rechtzeitig entdeckt. Die Witwe hatte sich mit einer Nagelfeile die Unterarme aufgeritzt.
    Das Foto neben dem Artikel war vom 26. November und zeigte den Parkplatz am besagten S-Bahnhof. Lichtreflexe auf dem nassen Pflaster. Notarztwagen, Polizei. Eine helle Decke über Ebis Leiche. Bruno warf die Zeitung auf den Beifahrersitz.
    Er jagte in die Innenstadt. Bei Heinemann erstand er eine Großpackung Champagnertrüffel. Er ließ sie als Geschenk einwickeln. Bruno stellte sich Lara vor: verzweifelt, schmal und feindselig.
    An der Pforte bekam er Auskunft, wo Ebis Witwe lag. Als er die Station erreichte, verließ ihn der Mut. Für mich bist du kein bisschen besser als sein verdammter Mörder.
    Bruno tigerte den Gang auf und ab. Er schwatzte mit einer Ärztin. Gegen Mittag brachte eine Schwester das Essen in Laras Zimmer. Sie ließ die Tür aufstehen.
    Bruno erspähte Lara. Sie trug einen weißen Pyjama. Die langen Locken offen und ungekämmt, der Haaransatz deutlich dunkler als die blond gefärbten Strähnen. Die ohnehin feingliedrige Frau wirkte abgemagert, ihre Kulleraugen unnatürlich groß. Sie blätterte in einer Illustrierten. Als die Schwester das Tablett abstellte, sah Lara aus dem Fenster.
    Bruno wagte sich noch immer nicht in ihr Zimmer. Er beobachtete, wie die Schwester das Kopfende in Sitzposition klappte und die Kissen aufschüttelte. Er hoffte, dass Lara das Essen anrühren würde.
    Als die Schwester herauskam, gab er die Pralinen bei ihr ab.
    Vor dem Aufzug traf er auf Laras Schwägerin. Die Ziegelrote trug einen kanariengelben Pulli unter einer gesteppten Weste. Einen ledernen Minirock – Bruno hatte schon breitere Gürtel gesehen.
    Sie trug einen Stapel Zeitschriften im Arm und erkannte ihn. »Sieh an, der Champion! Haben Sie Lara besucht?«
    »Sind Sie Ebis Schwester?«, fragte Bruno.
    Die Frau gab ihm die Hand. »Cosima Pommer. Mein Mann ist Laras Bruder. Max leitet das Kommissariat für Glücksspiel und Falschgeld. Sie kennen ihn sicher.«
    »Ja, vom Sehen.«
    Sie wechselten bedrückte Worte. Der arme Junge. Die ratlosen Ärzte. Die traurige Mutter. Unglaublich – mit einer Nagelfeile.
    Bruno hätte gern mehr für Lara getan.

10.
    Ende Februar machte Bruno endlich seinen Vorsatz wahr. Er parkte an der Zufahrt zum Vereinsheim und hievte die Sporttasche aus dem Kofferraum. Sein Bein war endgültig verheilt. Geblieben waren zwei Narben und die Schwäche im Bett, die das Liebesleben so kompliziert machte.
    Gerresheim, das Viertel seiner Kindheit. Alte Mietshäuser und Rauch aus Kohleöfen, der von den Dächern waberte. Die Sträucher am Zaun des Vereinsheims zeigten erste Knospen. Ein ganzes Jahr war Bruno nicht hier gewesen.
    Mit dreizehn war er dem TuS beigetreten, um Fußball zu spielen. Ein Freund hatte ihn zum Boxen mitgenommen und Trainer Janssen hatte ihn umworben. Der Coach brauchte Mitglieder für die Jugendmannschaft. Bruno erinnerte sich daran, dass sein Vater Boxfan gewesen war.
    Zuerst legte Mutter sich quer. Sie weigerte sich, die Einverständniserklärung zu unterschreiben. Der Trainer bekniete sie – Janssen wollte an alte Glanzzeiten der Boxabteilung anknüpfen. Seine Weisheiten beruhigten Mutter: Wer sich im Amateurboxen austobe, tue das nicht auf der Straße. Der Sport bilde wie kein anderer den Charakter – der Coach wusste, was allein erziehende Mütter hören wollten, deren Söhne einen Hang zum Rowdytum hatten.
    Die Umkleideräume lagen im Keller. Bruno war früh dran. Beim Umziehen hörte er das Getrampel der Anfänger, die oben in der Halle trainierten. Im Gang vor den Büros traf er Berti Kelp, den technischen Leiter der Boxabteilung. Ein ehemaliger Weltergewichtler mit breiter Nase – mit nicht weniger als einhundert K.-o.-Siegen so etwas wie eine Vereinslegende. Nicht einmal Janssen hatte in seiner aktiven Zeit Kelps Rekorde einstellen können.
    »Mensch, Bruno!«, freute sich der Rentner und deutete eine Gerade an. »Schön, dich wieder zu sehen. Janssen hat gewusst, dass du wieder anfangen würdest.«
    Bruno stapfte die Treppe hoch. Die Anfänger kamen ihm entgegen. Kids und ältere Herren, die nicht darauf aus waren, ernsthaft zu boxen. Eigentlich gehöre ich

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