Ausgezählt
verfolgte. Zugleich sei die Mordkommission Klee auf acht Beamte reduziert worden. Becker ließ durchblicken, dass er die Entscheidung nicht billigte. Sie hätten sämtliche persönlichen Hinterlassenschaften des Antiquitätenhändlers noch einmal durchforstet. Geschäftsunterlagen, die Festplatte des Computers – kein Resultat. Noch immer gingen jeden Tag Hinweise aus der Bevölkerung ein, deren Überprüfung die Beamten auf Trab hielt.
Der Mordermittler fragte: »Warum hast du eigentlich gestern angerufen?«
»Hat sich erledigt.«
Becker druckste eine Weile herum, dann fragte er: »Hast du vielleicht etwas von Manfred Klee gehört?«
»Von Fred? Wieso ausgerechnet ich?«
Becker stammelte eine Entschuldigung. Dann bat er Bruno um eine Telefonnummer, unter der er Karen erreichen konnte. Der Mordermittler ging offenbar davon aus, sie stünde mit Fred in Kontakt. Bruno gab ihm Adresse und Nummer von Irene, Karens Freundin.
Er parkte unter der Zufahrt zur Rheinkniebrücke. Nur einen Katzensprung von der Festung entfernt und in Sichtweise des Innenministeriums residierte hier die Landeszentrale der SPD. Bruno drückte die Tür auf und stand vor Juso-Plakaten: die Faust mit der roten Nelke der Revolution. Er fand den Pförtner und zeigte ihm das Foto der Geburtstagsfeier.
Bruno deutete auf die Brünette. »Kennen Sie diese Frau?«
»Die dem Gernot Hövel die Eselsohren aufsetzt? Wer soll das sein?«
»Das frag ich Sie.«
Der Pförtner winkte eine Frau heran, die gerade vorbeikam. Innerhalb einer Minute umringten Bruno ein halbes Dutzend Parteimitarbeiter. Es war halb zwei, offenbar die Zeit, da die meisten aus den Kantinen der umliegenden Behörden aus der Mittagspause zurückkehrten.
»Sigrid, kennste die da?«
»Wer will das wissen?«, antwortete eine große beleibte Frau. Eine bunte Bluse hing über dem Bund ihres Rocks, um die fehlende Taille zu kaschieren. Mürrisch musterte sie Bruno.
Er stellte sich vor.
Sie raunzte ihn an: »Kommen Sie mal mit.«
Bruno begleitete die Korpulente in ein Büro im zweiten Stock mit Blick auf die Auf- und Abfahrten der Brückenrampe. Unaufhörlich brausten die Autos vorbei. Der Lärm verbot es, die Fenster zu öffnen. Bruno stellte sich vor, dass in solchen Zimmern Parteiprogramme entworfen wurden, in denen von moderner Verkehrspolitik die Rede war. Womöglich trug das Ambiente nicht nur zur Freudlosigkeit der Angestellten bei, sondern färbte auf die gesamte Partei ab, die das Bundesland seit Jahrzehnten regierte.
Die Korpulente ließ sich noch einmal den Schnappschuss zeigen.
»Die arme Bille. Das Foto muss aus der Zeit stammen, als sie mit Gernot Hövel liiert war. Wir teilten dieses Büro. Sie schrieb die Reden, für die unser ehemaliger Ministerpräsident so gerühmt wurde. Warum lässt die Polizei sie nicht in Ruhe?«
»Es geht um ein Ereignis, das so alt ist wie diese Aufnahme. Um einen Unfall im Februar 1991. Mehr kann ich nicht verraten. Ich müsste schon mit Ihrer Kollegin selbst sprechen.«
»In dem Jahr war sie oft krank. Das Ende einer viel versprechenden Karriere. Frauen müssen das Dreifache leisten, um sich in der Politik zu behaupten. Daran ist sie zerbrochen.«
»Was für eine Krankheit hatte sie?«
»Da müssen Sie schon mit ihr selbst sprechen.«
»Sie war tatsächlich mit Gernot Hövel liiert?«
»Er brauchte sie für seine Karriere. Als sie krank wurde, ließ er sie fallen. Frauen haben ein Talent, sich von solchen Typen emotional ausbeuten zu lassen.« Ihr Blick teilte Bruno mit, dass sie ihn in Verdacht hatte, auch ein solcher Kerl zu sein.
Die Dicke zog das Telefon heran. Sie sprach ein paar Worte mit jemandem, dann reichte sie Bruno den Hörer. »Bille.«
Die Frau am anderen Ende meldete sich mit Sibylle Adam. Sie erklärte sich sofort bereit, Bruno zu treffen.
Er ging zu Fuß zum Karlsplatz, es waren nur fünf Minuten. Die ehemalige Redenschreiberin hatte einen Stand für frisch gepresste Fruchtsäfte am Rand des Markts als Treffpunkt genannt. Bruno erkannte die Brünette sofort. Langes gewelltes Haar, ein Muttermal im Augenwinkel. Älter und weniger aufgedonnert als damals. Ein harter Zug um den Mund war dazugekommen.
Sie fragte: »Welches Sternzeichen haben Sie?«
»Stier. Vergessen Sie’s. Stiere glauben nicht an Astrologie.«
Sibylle Adam lachte nicht. »Schade. Ich schreibe nämlich Horoskope. Ich verkaufe sie an Frauenzeitschriften. Ich habe keine Ahnung davon, aber von irgendwas muss man ja leben. Schwindeln ist
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