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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Einkaufstaschen. Bruno stürmte die Treppe hoch. Die Tür im ersten Stock war angelehnt.
    Eine kleine Dunkelhaarige schlurfte durch die Praxis. Sie trug scheinbar nichts außer einem weißen Kittel und Gesundheitslatschen. Sie nahm hinter dem Tresen Platz und wühlte in Karteikästen.
    Sie sprach, ohne Bruno anzusehen: »Wenn Sie keinen Termin haben, kommen Sie besser morgen früh um acht wieder. Das Wartezimmer ist rappelvoll.«
    »Ich möchte Hannah sprechen.«
    »Das wollen sie alle. Wir sind eine Zahnarztpraxis, keine Model-Agentur.« Die Maus im weißen Kittel sah ihn prüfend an. »Sind Sie dieser Fotograf?«
    Die Praxis war überheizt. Das Fenster hinter der Sprechstundenmaus war gekippt. Von der Straße tönte lang anhaltendes Hupen herauf. Mein Wagen steht im Weg, dachte Bruno.
    Janssens Tochter trat aus einer Kammer.
    Sie trug Röntgenbilder und eine Tasse Kaffee. Bruno nahm ihr beides ab, legte die Aufnahmen auf den Tresen und trank die Tasse leer. Er packte die junge Frau am Arm und raunte ihr zu: »Du nimmst jetzt deine Mittagspause. Wir machen eine Spazierfahrt. Halbe Stunde, dann setz ich dich wieder ab. Wir haben etwas zu bereden.«
    Bruno zog sie zur Tür. Sie riss sich los, angelte eine Lederjacke vom Haken und streifte sie über ihren Kittel. Zu der kleinen Dunkelhaarigen sagte sie: »Wenn der Chef fragt – ich musste mal schnell zur Post.«
    Die Maus rief Bruno hinterher: »Zahlen Sie endlich ihr Honorar, damit sie ihre Schulden loswerden kann.«
    Von draußen dröhnte Dauerhupen. Hannah klapperte vor Bruno die Treppe hinunter. »Hat dich mein Alter geschickt?«
    Sie stiegen in den Saab. Ein Benzbesitzer stand in der geöffneten Garage und zeigte den Vogel. Bruno machte die Zufahrt frei. Er fädelte in den Verkehr und rollte die Straße in Richtung Grafenberg entlang.
    Janssens Tochter hielt sich am Kragen ihrer Jacke fest. »Es ist kalt in deiner Karre.«
    Bruno drehte die Heizung auf. Er bemerkte ihre nackten Beine. Er stellte das Gebläse auf den Fußraum ein. »Wie hoch sind die Schulden, von denen die Maus geredet hat?«
    »Sag meinem Alten, dass ihn mein Privatleben nichts angeht. Ich brauch keine Boxer als Aufpasser. Ich bin volljährig und komm allein zurecht.«
    Er zeigte ihr die weißen Pillen, die Janssen in ihrer Schublade gefunden hatte. »Was ist das?«
    Sie verzog ihr hübsches Gesicht. »Ein Schlafmittel, wieso? Tavor kriegst du in jeder Apotheke. Man nennt es die Sonnenbrille der Seele. Deswegen scheuchst du mich aus der Praxis? Bring mich sofort wieder zurück!«
    Bruno gab Gas. Sie ließen die Häuser hinter sich. Die Straße schnitt Kurven durch den Wald. An der Einfahrt zur Landesklinik hielt Bruno an.
    Hannah war zu dünn für seinen Geschmack. Er hatte den Verdacht, dass ihre vollen Lippen das Produkt eines Schönheitschirurgen waren. Bruno wusste, wie sie sich verwandeln konnte, wenn man sie schminkte und ihr Haar herrichtete. Das Mädchen hatte die ganze Palette drauf, vom Glamourgirl bis zur Bauerngöre. Wenn Bruno die Fotos sah, konnte er kaum glauben, dass es die Tochter seines Boxtrainers war. Vielleicht würde sie es tatsächlich mal als Model zu etwas bringen.
    »Es ist immer das Gleiche«, sagte er. »Coole Leute bieten es an. Es hebt die Stimmung. Macht aus der langweiligsten Party einen aufregenden Abend. Aus Scheißtypen die coolsten Kerle der Stadt.«
    »Tavor?«
    »Verarsch mich nicht, Hannah!«
    »Ich hab gesagt, du sollst mich zurückbringen.«
    »Du weißt genau, wovon ich rede. Deine Seelensonnenbrille brauchst du nur, wenn du vor lauter Koks kein Auge zutun kannst.«
    Sie wich seinem Blick aus. »Sag meinem Alten, ich hab mir die Moralpredigt angehört. Sag ihm, er bildet sich alles nur ein.«
    »Nichts würde ich ihm lieber sagen.« Janssen hatte erwähnt, dass Hannahs Pupillen manchmal erweitert waren. Das deutete auf Ecstasy, Speed oder Kokain.
    Das Mädchen sagte: »Er hat sich immer nur um seine Boxer gekümmert. Jetzt, wo ich eigene Wege gehe, entdeckt er plötzlich, dass er eine Tochter hat. Wir leben in verschiedenen Welten. Ich hab mich aus dem Fabrikarbeitermief freigeschwommen. Wenn ihm das nicht passt, ist es sein Problem.«
    »Wir reden über dein Problem.«
    »Ich hab’s im Griff.«
    »Das sagt jeder. Die Akten im Präsidium sind voll mit Leuten, die glaubten, sie hätten es im Griff. Und weißt du, wo sie früher oder später landen?« Bruno deutete aus dem Fenster. Die alten Gebäude, die die Klapse beherbergten. »Dort drüben.«
    Hannah

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