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Ausradiert: Thriller (German Edition)

Ausradiert: Thriller (German Edition)

Titel: Ausradiert: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Abrahams
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diesem Augenblick, die vom Eingang her zusah.
    Es war das Werk eines absoluten Meisters: Die Anatomiestunde des Dr. Tulp.

24
    D ie habe ich noch nie gesehen«, sagte Betsy Matsu, während sie die Dr.-Tulp-Karte anstarrte. »Ist sie wichtig?«
    Gerald Reasoners Visitenkarte. Sie musste eine Bedeutung haben, aber welche? Nick hatte keine Ahnung. »Wie lange wohnen Sie schon hier?«
    »Fast vier Jahre.«
    War es möglich, dass Reasoner diese Wohnung Jahre vor ihr gemietet hatte? Nein – Reasoner hatte sein ganzes Leben in demselben Haus in Burbank verbracht, erst mit seiner Mutter, bis zu deren Tod, und dann allein. Nick konnte sich noch an die Adresse erinnern, 313 Coursin Street, und sogar an das Haus selbst, gelb mit weißen Rahmen, obwohl er es seit zwölf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Deshalb musste diese Karte von einem früheren Gast Betsys stammen oder von Liza und Amanda zurückgelassen worden sein. Keine der beiden Möglichkeiten ergab mehr Sinn als die andere, oder überhaupt einen Sinn.
    Es sei denn … Es sei denn, er zog eine Frage in Betracht, die er schon früher hätte stellen sollen: Aus welchem Grund hatte Liza sich für ihn entschieden? Er konnte sich nicht erinnern, wann sie auf ihn zugekommen war – es musste nach seiner Zeugenaussage in dem Prozess gegen Canning gewesen sein und vor seinem ersten Besuch im Airport Marriott, gleich zu Beginn der verlorenen Zeit –, aber er war als Experte für Vermisstenfälle bekannt, und außerdem wäre sie nicht die erste Klientin gewesen, die ihn wegen des Films aufsuchte. Die Dr.-Tulp-Karte hatte in dem Film eine große Rolle gespielt, und der Regisseur hatte sie als Hintergrund des Vorspanns benutzt, beleuchtet von flackerndem Kerzenlicht. Hatte Amanda oder Liza deshalb die Karte hier zurückgelassen, in der Annahme, dass er sie finden würde? Aber wie konnten sie annehmen, dass er unter dem Bett nachschauen würde? Und wie lautete die Botschaft? Wollten sie gefunden werden? Was wurde von ihm erwartet?
    Finde das Mädchen, und du wirst leben.
    »Was denken Sie gerade?«, fragte Betsy.
    Oder – und das war ein vollkommen unerwarteter Gedanke, einer, der ihm überhaupt nicht gefiel: Hatte der Einbrecher die Karte hinterlassen?
    »Ich denke, Sie sollten die Nacht woanders verbringen«, sagte er.
    »Meine Freundin kommt und holt mich ab«, sagte Betsy.

    Die Freundin traf ein, als Nick sich gerade verabschiedete.
    »Sarah«, sagte Betsy.
    »Geht es dir gut?«
    »Es ist grauenhaft.«
    Sie umarmten sich. Sarah streichelte Betsys Nacken und küsste sie auf den Mund. Nick hinterließ seine Karte auf dem Flurtischchen.

    Nick fuhr nach Hause. Welcher Schritt folgte nach Betsy Matsu? Er wusste es nicht. Aber er musste schnell sein. Was als Nächstes? Innerliche Beschleunigung, äußerliche Reglosigkeit, wieder dieses Panikding. Er goss sich ein großes Glas Johnnie Black ein, setzte sich oben in sein Büro, umgeben von Dmitris alten Fingerfarbenbildern, beruhigte sich. Es gab Methoden, die man anwendete, wenn man festsaß. Was war eine davon? Das Beweismaterial noch einmal überprüfen.
    Nick stand auf, sammelte die Beweisstücke ein: Volleyball; Empty-Box-CD; Hallmark-Karte; Babar; Candyland-Karte; dunkelblaue Anzugjacke, inzwischen gestopft; das alte Browniefoto von dem jungen Cowboy, der drei kleine Mädchen auf einem Pony führte; die Dr.-Tulp-Postkarte. Diese seine archäologischen Artefakte, inzwischen so zahlreich, plazierte er auf seinem Schreibtisch. Es ging um Verbindungen. Bedeutete nicht die Tatsache, dass es immer mehr Objekte gab, dass er irgendwohin gelangte? An einen ausschlaggebenden Punkt, an dem man endlich sagen konnte: Dies ist Troja? Und nicht zu vergessen die fehlenden Artefakte – das Foto der Desert-High-Mannschaft, gestohlen, und sein Notizbuch, das einfach verschwunden war. Und außerdem das Footballfoto, das neben den Pokalvitrinen in der Desert High gehangen hatte: Es war ebenfalls fort.

    Nick erwachte und stellte fest, dass er auf dem Boden seines Büros lag, halb unter dem Schreibtisch. Einen Augenblick lang fühlte er sich dort geborgen, wie ein Hund. Dann setzte die Angst ein. Nicht nur, dass er sich nicht daran erinnern konnte, sich hier schlafen gelegt zu haben; er wusste auch nicht, ob er aufstehen, wusste nicht, ob er sich überhaupt bewegen konnte. Sein Körper signalisierte ihm kein Potenzial. Ein Streifen Tageslicht fand den Weg unter den Schreibtisch, schien auf seine rechte Hand. Er versuchte sie zu krümmen.

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