Ausradiert: Thriller (German Edition)
Sie krümmte sich.
Nick stand auf. Sein Körper funktionierte tadellos, besser als je zuvor, seit diese Geschichte begonnen hatte. Er teilte nur sein Potenzial nicht mit. Eine vorübergehende Anomalie, nichts weiter, bald –
Unten bewegte sich jemand. Nick schlich leise zum Safe, stellte die Ziffern ein, nahm die Waffe heraus. Keine großartige Waffe, ein 38er Colt, ein kleines Ding, das er einige Male eher symbolisch eingesetzt und nur einmal ernsthaft verwendet hatte: Obwohl er gut genug schoss, um bei der Polizeimannschaft mitzumachen, als er damals anfing, mochte er Waffen nicht. Eine Stimme rief von unten: »Dad?«
»Dmitri«, antwortete Nick. Er stand im Begriff, die Waffe zurück in den Safe zu legen, steckte sie dann aber in die Tasche. »Hier oben.«
Nick versuchte sich herzurichten, seine verknautschte Kleidung, das zerknitterte Gesicht, aber Dmitri, der die Treppe hochsprang, ließ ihm keine Zeit.
»Wie geht’s, Dad?«
»Prima.«
»Du siehst aus, als hättest du durchgemacht.«
»Genau.«
»Was ist das für Zeug?«
»Beweisstücke.«
»Wofür?«
»Daran arbeite ich gerade.« Dmitri ging zum Schreibtisch, angezogen von dem Arrangement. »Soll ich es dir erzählen?«, fragte Nick.
»He«, sagte Dmitri. »Cool.«
Er wirkte erfreut. Hatte Nick jemals einen Fall mit ihm diskutiert? Nein – er sprach nicht über laufende Fälle. Aber über diesen wollte Nick jetzt sprechen, mit seinem Sohn.
»Fangen wir mit dem Volleyball an«, schlug er vor.
Dmitri starrte ihn an. Sein gespannter Gesichtsausdruck löste etwas in Nick aus. Er spürte, wie flutgleich Tränen in ihm aufstiegen, eine Flut, die, einmal entfesselt, vielleicht nicht mehr aufzuhalten war. Nick wehrte sie ab, drängte sie zurück.
»Was ist mit dem Volleyball?«, fragte Dmitri und wandte sich ihm zu. Sein Ausdruck hatte sich verändert, war jetzt alarmiert. »Was ist denn, Dad?«
Nick trat einen Schritt vor, warf seine Arme um Dmitri, hielt ihn ganz fest. Ein paar Tränen drängten hinaus, er konnte sie nicht zurückhalten. »Es geht mir nicht gut«, sagte er, seine Stimme war leise und bar jedes Selbstvertrauens, jeder Autorität, väterlichen Überlegenheit.
Dmitri wurde steif. Dann, nach ein oder zwei Augenblicken, begann er Nicks Rücken zu tätscheln, zögernde kleine Klapse von jemandem, der viel zu jung war, um zum Tätscheln aufgefordert zu werden. Es war furchtbar, unverzeihlich. Nick riss sich zusammen, erwiderte brüsk die Klapse. Dmitri entspannte sich ein wenig. Nick trat zurück. Er wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel ab und sagte: »Wasser wäre gut.«
Dmitri ging hinunter in die Küche. Als er zurückkehrte, hatte Nick seine Haltung wiedergewonnen.
»Hier, Dad.« Dmitri reichte ihm ein Glas Wasser mit Eiswürfeln und einer Scheibe Zitrone. Die Zitronenscheibe bedeutete viel, wie die besten Geschenke.
Nick trank Wasser. Hatte er es je mehr genossen? Die Eiswürfel klirrten behaglich und beruhigend. »Danke«, sagte er, diesmal mit vollkommen normaler, vielleicht sogar ein wenig entspannterer Stimme als üblich. Soeben hatte eine Art Flickarbeit stattgefunden, Nähte tief in seinem Inneren.
»Gern geschehen«, erwiderte Dmitri. Er räusperte sich. »Was ist mit dem Volleyball?«
Nick drehte sich zu ihm um. »Der Volleyball«, begann er. »Ich weiß nicht, woher er stammt –« Aber in diesem Moment wurde ihm klar, dass die Antwort fast mit Sicherheit Liza Rummels Haus in Van Nuys lautete, das inzwischen von orthodoxen Juden bewohnt wurde. Er hätte sich als Erstes Amandas Zimmer ansehen wollen. Das hier – den Fall zu diskutieren – mochte Vorteile haben, die er nicht vorhergesehen hatte. Er erzählte Dmitri alles, was er wusste.
»Wow«, sagte Dmitri. Er nahm den Volleyball in die Hände, ließ ihn auf seinem Finger kreiseln. »Erstaunlich. Ein Rätsel in einem Rätsel. Was wirst du als Nächstes tun?«
»Nach den Verbindungen suchen«, erwiderte Nick. »Die Beweisstücke so zusammenstellen, dass sie eine Geschichte erzählen.«
»Es muss eine Menge Verbindungen geben«, sagte Dmitri.
»Wie kommst du darauf?«
»Weil drei Generationen derselben Familie darin verwickelt sind – die Tochter, die verschwunden ist, die Mutter, die dir den Auftrag gegeben hat, der Großvater, der bei dem Brand gestorben ist.«
Ein interessanter Ansatz, einer, der in die Vergangenheit zurückwies. Nick warf seinem Sohn einen Blick zu; jetzt war sein Gesicht entschlossen; vollkommen unbefangen. Ein anderer Verstand,
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