Außer Atem - Panic Snap
immer das Beste. Es ist wahrhaftig ein Liebesdienst.«
Obwohl Gina ohne große Ergriffenheit spricht, höre ich doch den Stolz in ihrer Stimme und spüre ihre Leidenschaft für Byblos. Ich habe noch nie an einem Ort so lange gelebt, dass ich für ihn eine Leidenschaft entwickelt hätte. Diese Chance war mir nie vergönnt. Im Schatten der Eiche ist die Luft angenehm kühl. Ich sage: »Warum sind wir zusammen hier oben?«
Sie dreht sich um und schaut mich an. Die Baseballkappe überschattet ihre Augen. »Weil ich Ihnen zeigen will, was ich liebe«, sagt sie ruhig. »Wenn man etwas liebt – sich um etwas kümmert –, kann man sich verwirklichen, einen Lebenszweck finden.«
Wissend, dass ich ihr das alles zerstören kann, schaue ich verlegen weg.
Sie lässt den Motor an und fährt den Hügel wieder hinunter. Der Lieferwagen hüpft wild auf und ab, und Gina muss immer wieder das Lenkrad herumreißen, um den vielen tiefen Furchen des Weges auszuweichen. Sie scheint sich hinter dem Steuerrad absolut wohl zu fühlen, während mir flau im Magen wird bei der Holperei. Sie schaltet herunter, und der Motor stöhnt auf.
»Könnten Sie vielleicht ein bisschen langsamer fahren?«, schreie ich ihr durch den Motorenlärm zu.
Sie lächelt nur und konzentriert sich auf den Weg. Das rechte Vorderrad gerät in eine Furche, der Wagen kippt, richtet sich aber mit einem Ruck wieder auf. Endlich verlässt sie den zerklüfteten Weg und biegt in einen anderen Sandweg ein, der glatt ist und an einem Weingarten entlangführt.
Gina drosselt das Tempo und mustert im Vorbeifahren eingehend die Rebstöcke. Es verblüfft mich, wie sehr sie gewachsen sind, seit ich nach Byblos gekommen bin. Als ich hier ankam, waren sie graubraun, knotig und kahl; jetzt sind sie überwuchert von Blättern, die im Sonnenlicht goldgrün schimmern. Gina hält an, greift ins Handschuhfach und holt eine Lupe heraus. Wortlos steigt sie aus, geht zu den Reben hinüber und betrachtet die Blätter durch die Lupe.
»Was machen Sie denn da?«, frage ich vom Wagen aus.
Sie hört mich nicht. Aus dem Nichts tauchen die beiden schwarze Hunde auf.
»He, Blue«, sagt Gina und streichelt einen nach dem anderen. »He, Chica. Habt ihr heute schon Hasen gejagt?«
Auf der anderen Seite des Weges entdecke ich den Geschäftsführer der Kellerei. Und weiter unten, zur Rechten, ist das mit Efeu bewachsene Gemäuer der Kellerei zu sehen. Drei Wagen parken davor, und ein weiterer, ein blauer BMW, kommt langsam den Weg hinauf – Besucher zur Weinprobe. Ich steige ebenfalls aus und folge Gina, die in ihren schwarzen Lederstiefeln die Reihe abschreitet und immer wieder stehen bleibt, um die Blätter zu überprüfen. Ich trage ein geblümtes Sommerkleid mit Sandalen, die alles andere als passend sind für einen Spaziergang durch einen Weingarten. Die Hunde laufen im Zickzack zwischen den Rebstöcken hin und her und beschnüffeln den Boden. Mit aufmerksamer Miene, die Stirn in Falten gelegt, schaut Gina durch die Lupe, dann geht sie zum nächsten Rebstock weiter.
Ich folge ihr und beobachte sie schweigend. Ihr Vater gab diesem Ort den Namen der antiken Naturgöttin Herrin von Byblos, wohl weil er die Verehrung einer Göttin der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung für eine Weinkellerei als passend empfand. Die Herrin von Byblos war eine dreifaltige Göttin. Sie erschuf, bewahrte und zerstörte. Ich frage mich, wie weit Gina gehen würde, um die Weinkellerei zu retten.
Sie kommt zurück, noch einmal alles am Weg aufmerksam prüfend, die Rebstöcke mit ihren frischen grünen Blättern, das Bewässerungssystem, die Spalierdrähte und den Boden. Einmal zieht sie ein Werkzeug aus der Hosentasche, reguliert damit einen Draht und befestigt ihn an einem Holzpfosten. Die Muskeln ihrer Arme spannen sich bei der Arbeit an.
Als sie fertig ist, wendet sie sich mir zu, will etwas sagen, lässt es dann sein. Stattdessen blickt sie über die Reihen belaubter Rebstöcke. Auf der linken Wange hat sie einen Schmutzfleck. Sie schiebt eine Hand in die Hosentasche, wirkt nervös, beinahe verlegen. Ihre Haut ist straff und gelblich braun wie das Fell eines jungen Rehs. Sie greift nach dem Schirm ihrer Kappe und zieht ihn tiefer über die Augen.
»Das ist mein Traum«, sagt sie schließlich. »Byblos«, und deutet mit einem Nicken zu den Rebstock-Reihen hin.
Dann dreht sie sich wieder zu mir um. »Sie haben auch einen Traum, Carly. Ich weiß das. Und ich kann Ihnen helfen.«
Sie hat keine Ahnung, wovon ich
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