Aussortiert
fühlen?« scherzte Nabel, aber niemand
verstand den Scherz.
Lidia kaute auf ihrer
Unterlippe herum. »Es wird immer merkwürdiger.«
»Findest du?«
»Warum gibt er als
Grund an, das Opfer sei zu schwarz? Er könnte ihm doch eher seinen
Drogenhandel zum Vorwurf machen?«
»Woher willst du bloß
wissen, daß das ein Dealer war?« fragte Nabel, mit einem
übertrieben unschuldigen Unterton.
»Ach komm, Kai, mach
dich nicht lustig über mich.«
»Nein, im Ernst, Lidia,
sowas darfst du nicht laut sagen, es gibt hier bestimmt auch Farbige, die
keine Dealer sind. Wenn du nicht aufpaßt, bringst du dich mit
solchen Äußerungen in die Bredouille.«
»Also schön, ich
sags anders. Dem Mörder scheint daran gelegen, die Zielgruppe möglichst
groß zu wählen. Es gibt in dieser Stadt sicher sehr viel mehr
Schwa-, Farbige als Dealer.
Was bedeutet, es geht ihm
darum, Angst zu erzeugen, größtmögliche Angst.«
»Das heißt, als nächstes
sucht er sich einen Türken und verwendet ein Maschinengewehr?«
»Sei nicht so!«
Manchmal konnte Lidia die Art ihres Chefs, mit seiner Arbeit seelisch zu
Rande zu kommen, nicht vertragen. Zwei Fotoreporter von der
Schweinezeitung waren durch die Absperrung gelangt und hoben ihre Kameras,
baten die Beamten, die Plane wenigstens so weit zu verrücken, daß
unter ihr die Schuhe des Toten sichtbar würden. Nabel wollte die
beiden gerade verscheuchen, als Jimmy Kistner vor ihn hintrat und ihm sein
Handy reichte.
»Bitte, Herr Kommissar,
hier drin ist Ihr Vorgesetzter und möchte Sie sprechen.«
»Was?«
»Es ist so.«
Kistner gab ihm das Handy, und Nabel wunderte sich nicht schlecht, die
Stimme von Dezernatsleiter Seidel zu hören.
»Nabel? Sind Sie das?«
»Dr. Seidel? Was machen
Sie auf dieser Leitung?«
»Regen Sie sich nicht
auf. Ich hab mit der Schweinezeitung einen Deal. Lassen Sie Kistner und
seine Leute fotografieren. Im Gegenzug bauschen die die Story nicht
allzusehr auf.«
»Ich weiß nicht,
ob das eine kluge Politik ist.«
»Müssen Sie auch
nicht wissen. Geht auf meine Kappe. Alles klar? Ende.«
Nabel gab das Handy an seinen
feixenden Besitzer zurück. Inzwischen waren auch Fotoreporter vom Hühnerblatt
da und beschwerten sich lautstark, weil sie nicht durch die Absperrung
gelassen wurden.
»Kistner – Sie
gehen mir auf die Nerven.«
»Das ist mein Beruf,
Herr Kommissar, den Dingen auf den Nerv zu fühlen. Ein wichtiger Job
in einem demokratischen Land. Haben Sie vielleicht noch Informationen für
mich? Ich würde mich gegebenenfalls auch mit einer lobenden Erwähnung
revanchieren.«
Nabel gönnte Kistner
keine Antwort.
Der Tote besaß
inzwischen dank des Personalausweises, den man in seiner Gesäßtasche
fand, einen Namen. Nyokis Witwe wurde benachrichtigt, die seine Leiche
identifizieren sollte, was zu einer leicht peinlichen Angelegenheit wurde.
Sie hatte ihren Gatten kaum öfter als zweimal gesehen, zuletzt vor
drei Jahren auf dem Standesamt. Er könne es sein, gab sie zur
Auskunft, erst auf die Bitte hin, sich gefälligst zu konzentrieren,
rang sie sich zur Überzeugung durch, er sei es.
Ahmed, von ihr danach
befragt, ob es vom Staat noch immer Witwengeld gebe, konnte ein Grinsen
nicht unterdrücken.
Am späten Nachmittag
traf sich Nabel im LKA Berlin-Tempelhof mit Kriminalrat Josef König,
dem Leiter der Abteilung 2a – Rauschgiftbekämpfung, Schleuser
und Schlepper. König, siebenundvierzig, war einige Monate zuvor ins
Schlaglicht der Öffentlichkeit geraten, als aufgrund seiner
Ermittlungen ein bekannter Serienschauspieler mit zehn Gramm Kokain und
drei illegalen osteuropäischen Nutten verhaftet wurde. Was intern
einen bitteren Nachgeschmack bekam. König wurde nachgesagt, er habe
private Gründe gehabt, um den Schauspieler auffliegen zu lassen. Es
wurde sogar gemunkelt, der allerprivateste Grund sei nicht bezahltes
Schweigegeld gewesen. Nun, das waren selbstverständlich Heißluftgebilde,
Latrinenparolen, von Neid und Niedertracht getränkt, wie sie jeden
Erfolgreichen immer und überall begleiten.
Saß man König
gegenüber, gewann man den Eindruck, einen stocksteifen,
staubtrockenen Beamten vor sich zu haben. Unter seiner Leitung war es dem
Dezernat gelungen, im Stadtgebiet fast drei Tonnen harter Drogen aus dem
Verkehr zu ziehen, in nur zweieinhalb Jahren, eine sagenhafte Quote. König,
ein schlanker Mensch
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