Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
fühlen?« scherzte Nabel, aber niemand
     verstand den Scherz.
    Lidia kaute auf ihrer
     Unterlippe herum. »Es wird immer merkwürdiger.«
    »Findest du?«
    »Warum gibt er als
     Grund an, das Opfer sei zu schwarz? Er könnte ihm doch eher seinen
     Drogenhandel zum Vorwurf machen?«
    »Woher willst du bloß
     wissen, daß das ein Dealer war?« fragte Nabel, mit einem
     übertrieben unschuldigen Unterton.
    »Ach komm, Kai, mach
     dich nicht lustig über mich.«
    »Nein, im Ernst, Lidia,
     sowas darfst du nicht laut sagen, es gibt hier bestimmt auch Farbige, die
     keine Dealer sind. Wenn du nicht aufpaßt, bringst du dich mit
     solchen Äußerungen in die Bredouille.«
    »Also schön, ich
     sags anders. Dem Mörder scheint daran gelegen, die Zielgruppe möglichst
     groß zu wählen. Es gibt in dieser Stadt sicher sehr viel mehr
     Schwa-, Farbige als Dealer.
    Was bedeutet, es geht ihm
     darum, Angst zu erzeugen, größtmögliche Angst.«
    »Das heißt, als nächstes
     sucht er sich einen Türken und verwendet ein Maschinengewehr?«
    »Sei nicht so!«
     Manchmal konnte Lidia die Art ihres Chefs, mit seiner Arbeit seelisch zu
     Rande zu kommen, nicht vertragen. Zwei Fotoreporter von der
     Schweinezeitung waren durch die Absperrung gelangt und hoben ihre Kameras,
     baten die Beamten, die Plane wenigstens so weit zu verrücken, daß
     unter ihr die Schuhe des Toten sichtbar würden. Nabel wollte die
     beiden gerade verscheuchen, als Jimmy Kistner vor ihn hintrat und ihm sein
     Handy reichte.
    »Bitte, Herr Kommissar,
     hier drin ist Ihr Vorgesetzter und möchte Sie sprechen.«
    »Was?«
    »Es ist so.«
     Kistner gab ihm das Handy, und Nabel wunderte sich nicht schlecht, die
     Stimme von Dezernatsleiter Seidel zu hören.
    »Nabel? Sind Sie das?«
    »Dr. Seidel? Was machen
     Sie auf dieser Leitung?«
    »Regen Sie sich nicht
     auf. Ich hab mit der Schweinezeitung einen Deal. Lassen Sie Kistner und
     seine Leute fotografieren. Im Gegenzug bauschen die die Story nicht
     allzusehr auf.«
    »Ich weiß nicht,
     ob das eine kluge Politik ist.«
    »Müssen Sie auch
     nicht wissen. Geht auf meine Kappe. Alles klar? Ende.«
    Nabel gab das Handy an seinen
     feixenden Besitzer zurück. Inzwischen waren auch Fotoreporter vom Hühnerblatt
     da und beschwerten sich lautstark, weil sie nicht durch die Absperrung
     gelassen wurden.
    »Kistner – Sie
     gehen mir auf die Nerven.«
    »Das ist mein Beruf,
     Herr Kommissar, den Dingen auf den Nerv zu fühlen. Ein wichtiger Job
     in einem demokratischen Land. Haben Sie vielleicht noch Informationen für
     mich? Ich würde mich gegebenenfalls auch mit einer lobenden Erwähnung
     revanchieren.«    
    Nabel gönnte Kistner
     keine Antwort.
    Der Tote besaß
     inzwischen dank des Personalausweises, den man in seiner Gesäßtasche
     fand, einen Namen. Nyokis Witwe wurde benachrichtigt, die seine Leiche
     identifizieren sollte, was zu einer leicht peinlichen Angelegenheit wurde.
     Sie hatte ihren Gatten kaum öfter als zweimal gesehen, zuletzt vor
     drei Jahren auf dem Standesamt. Er könne es sein, gab sie zur
     Auskunft, erst auf die Bitte hin, sich gefälligst zu konzentrieren,
     rang sie sich zur Überzeugung durch, er sei es.
    Ahmed, von ihr danach
     befragt, ob es vom Staat noch immer Witwengeld gebe, konnte ein Grinsen
     nicht unterdrücken.
    Am späten Nachmittag
     traf sich Nabel im LKA Berlin-Tempelhof mit Kriminalrat Josef König,
     dem Leiter der Abteilung 2a – Rauschgiftbekämpfung, Schleuser
     und Schlepper. König, siebenundvierzig, war einige Monate zuvor ins
     Schlaglicht der Öffentlichkeit geraten, als aufgrund seiner
     Ermittlungen ein bekannter Serienschauspieler mit zehn Gramm Kokain und
     drei illegalen osteuropäischen Nutten verhaftet wurde. Was intern
     einen bitteren Nachgeschmack bekam. König wurde nachgesagt, er habe
     private Gründe gehabt, um den Schauspieler auffliegen zu lassen. Es
     wurde sogar gemunkelt, der allerprivateste Grund sei nicht bezahltes
     Schweigegeld gewesen. Nun, das waren selbstverständlich Heißluftgebilde,
     Latrinenparolen, von Neid und Niedertracht getränkt, wie sie jeden
     Erfolgreichen immer und überall begleiten.
    Saß man König
     gegenüber, gewann man den Eindruck, einen stocksteifen,
     staubtrockenen Beamten vor sich zu haben. Unter seiner Leitung war es dem
     Dezernat gelungen, im Stadtgebiet fast drei Tonnen harter Drogen aus dem
     Verkehr zu ziehen, in nur zweieinhalb Jahren, eine sagenhafte Quote. König,
     ein schlanker Mensch

Weitere Kostenlose Bücher