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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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daß
     er rumschnüffelt. Nicht aus Bosheit, sondern weil er sich Sorgen um
     mich macht.«
    »Muß ich mich vor
     ihm in acht nehmen, oder was?«
    »Auch. Ich wollte dich
     eher fragen, obs okay ist, wenn ich ihm deinen Namen nenne.«
    David wurde bleich. »Hast
     du sie nicht mehr alle?«
    »Nein, laß mich
     erklären, ich glaube, es geht ihm nur darum, daß ich sauberen
     Stoff bekomme, er würde nichts gegen dich unternehmen. So ist er
     nicht drauf.«
    »Laß das! Laß
     das ein für alle Mal. Bringt nichts.«
    »Aber David …«
    »Lidia, tut mir leid.
     Tschö, so läuft das nicht, ich hoffe, wir bleiben in Verbindung,
     Paris, Athen, auf Wiedersehn.«
    David verließ die
     Wohnung fluchtartig, wie tief ins Knochenmark hinein beleidigt. Unsicher,
     was sie tun sollte, tun durfte, betrachtete Lidia den Berg Akten auf ihrem
     Wohnzimmertisch. Und portionierte mit einer alten EC-Karte ein Häufchen
     Pulverschnee zur dünnen Linie. Die letzte. Versprochen.

 
    5
    Mit einem toten farbigen
     Kleindealer erzielten die Zeitungen deutlich geringere Auflagen als mit
     einem bürgerlichen Opfer. Den Großteil der Bevölkerung kümmerte
     das Schicksal Asante Myokis herzlich wenig, an etlichen Stammtischen
     wurden Äußerungen laut, daß der Killer ruhig dort
     weitermachen könne, wo er gerade unterwegs war.
    Die Berichterstattung fiel
     demgemäß nicht gerade hysterisch aus, wirkte in ihrem Verzicht
     auf Versalien nüchtern, beinahe enttäuscht.
    Einzig Jimmy Kistner in der
     Schweinezeitung gab sich Mühe, seine Leser davon zu überzeugen,
     daß auch dieser Tote irgendwie Teil des umfassenden Kosmos sei und
     alle anginge, nicht zuletzt, weil ausnahmslos jeder der Nächste sein
     könne. Insgeheim war er unzufrieden mit dem Killer und warf ihm
     fehlendes dramaturgisches Geschick vor. Zwischen den Zeilen strotzte seine
     Kolumne vor mehr oder minder sublimen Verbesserungsvorschlägen.
    Liebe Leser!   
    Die Serie abscheulicher Morde
     hält an, die Polizei tappt im dunkeln, auf dem Leben in dieser großartigen
     Stadt liegt der Schatten der Gewalt und des Irrsinns.
    Wir haben es mit einem
     Geisteskranken zu tun, der Angst säen und Haß ernten möchte.
     Ein Geisteszwerg, der Gott spielen möchte, Herr über Leben und
     Tod. Vermutlich ist er ein unscheinbarer Mensch, der im Leben nichts
     erreicht hat, ein gesellschaftlicher Versager mit hoher krimineller
     Energie, doch ohne jeden Stil, wie seine ruppig infantilen
     Bekennerschreiben zeigen. Ein ungebildeter Mann von nebenan, äußerlich
     vielleicht blaß, vielleicht sogar häßlich, über den
     man als Kind schon gespottet hat. Möglicherweise ist er impotent oder
     visuell derart gezeichnet, daß niemand mit ihm etwas zu tun haben
     will. Vielleicht ist er selbst all das, was er seinen Opfern vorwirft:
     geil, fett, dreckig. Es gibt keine mildernden Umstände, keine
     Entschuldigung. Dieser Wicht tötet andere, weil ihm die Traute fehlt,
     mit seiner eigenen gescheiterten Existenz Schluß zu machen. Der Mord
     in der Hasenheide war besonders feige, er suchte sich ein risikoloses
     Opfer tief im Buschwerk des Großstadtdschungels. Wahrscheinlich
     geschah die Tat nicht vordringlich aus rassistischen Tendenzen, sondern
     einfach nur, weil sich die Bestie unter dem großen Fahndungsdruck
     mehr nicht leisten konnte. Vermutlich merkt der Mörder bald selbst,
     daß seine Eitelkeit nach schwierigeren Vorgaben verlangt. Er wird,
     steht zu befürchten, erneut zuschlagen, wird sich diesmal wohl keinen
     so krassen gesellschaftlichen Außenseiter auswählen. Wie die
     Polizei versichert, ist jemand, der Bekennerschreiben hinterlegt,
     prinzipiell daran interessiert, irgendwann gefaßt zu werden, um sein
     klägliches Dasein künftig mit dem Ruhm der Verruchtheit zu bemänteln,
     seinen belanglosen Namen hervorzuheben aus dem Müll der Menschheit.
    Ich muß ehrlich sagen,
     liebe Leser, daß es mir ein Hochgenuß wäre, bald
     berichten zu dürfen, das Monster sei, als es sich seiner Festnahme
     entziehen wollte, abgeknallt worden. Jegliches Verständnis endet
     irgendwo, ich spüre das berechtigte Bedürfnis, mir Luft zu
     machen, um nicht zu platzen.
    Die Aussicht, ein solches
     Schwein könne den Gerichtssaal zur Plattform seines kranken,
     talentlosen Egos mißbrauchen, ekelt mich an.
    Herzlich und voller Wut, Ihr
    Jimmy Kistner
    Das war die Art, mit der
     Kistner beim Massenpublikum Punkte sammelte. Gezielt leistete er sich
     politische Inkorrektheiten,

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