Aussortiert
daß
er rumschnüffelt. Nicht aus Bosheit, sondern weil er sich Sorgen um
mich macht.«
»Muß ich mich vor
ihm in acht nehmen, oder was?«
»Auch. Ich wollte dich
eher fragen, obs okay ist, wenn ich ihm deinen Namen nenne.«
David wurde bleich. »Hast
du sie nicht mehr alle?«
»Nein, laß mich
erklären, ich glaube, es geht ihm nur darum, daß ich sauberen
Stoff bekomme, er würde nichts gegen dich unternehmen. So ist er
nicht drauf.«
»Laß das! Laß
das ein für alle Mal. Bringt nichts.«
»Aber David …«
»Lidia, tut mir leid.
Tschö, so läuft das nicht, ich hoffe, wir bleiben in Verbindung,
Paris, Athen, auf Wiedersehn.«
David verließ die
Wohnung fluchtartig, wie tief ins Knochenmark hinein beleidigt. Unsicher,
was sie tun sollte, tun durfte, betrachtete Lidia den Berg Akten auf ihrem
Wohnzimmertisch. Und portionierte mit einer alten EC-Karte ein Häufchen
Pulverschnee zur dünnen Linie. Die letzte. Versprochen.
5
Mit einem toten farbigen
Kleindealer erzielten die Zeitungen deutlich geringere Auflagen als mit
einem bürgerlichen Opfer. Den Großteil der Bevölkerung kümmerte
das Schicksal Asante Myokis herzlich wenig, an etlichen Stammtischen
wurden Äußerungen laut, daß der Killer ruhig dort
weitermachen könne, wo er gerade unterwegs war.
Die Berichterstattung fiel
demgemäß nicht gerade hysterisch aus, wirkte in ihrem Verzicht
auf Versalien nüchtern, beinahe enttäuscht.
Einzig Jimmy Kistner in der
Schweinezeitung gab sich Mühe, seine Leser davon zu überzeugen,
daß auch dieser Tote irgendwie Teil des umfassenden Kosmos sei und
alle anginge, nicht zuletzt, weil ausnahmslos jeder der Nächste sein
könne. Insgeheim war er unzufrieden mit dem Killer und warf ihm
fehlendes dramaturgisches Geschick vor. Zwischen den Zeilen strotzte seine
Kolumne vor mehr oder minder sublimen Verbesserungsvorschlägen.
Liebe Leser!
Die Serie abscheulicher Morde
hält an, die Polizei tappt im dunkeln, auf dem Leben in dieser großartigen
Stadt liegt der Schatten der Gewalt und des Irrsinns.
Wir haben es mit einem
Geisteskranken zu tun, der Angst säen und Haß ernten möchte.
Ein Geisteszwerg, der Gott spielen möchte, Herr über Leben und
Tod. Vermutlich ist er ein unscheinbarer Mensch, der im Leben nichts
erreicht hat, ein gesellschaftlicher Versager mit hoher krimineller
Energie, doch ohne jeden Stil, wie seine ruppig infantilen
Bekennerschreiben zeigen. Ein ungebildeter Mann von nebenan, äußerlich
vielleicht blaß, vielleicht sogar häßlich, über den
man als Kind schon gespottet hat. Möglicherweise ist er impotent oder
visuell derart gezeichnet, daß niemand mit ihm etwas zu tun haben
will. Vielleicht ist er selbst all das, was er seinen Opfern vorwirft:
geil, fett, dreckig. Es gibt keine mildernden Umstände, keine
Entschuldigung. Dieser Wicht tötet andere, weil ihm die Traute fehlt,
mit seiner eigenen gescheiterten Existenz Schluß zu machen. Der Mord
in der Hasenheide war besonders feige, er suchte sich ein risikoloses
Opfer tief im Buschwerk des Großstadtdschungels. Wahrscheinlich
geschah die Tat nicht vordringlich aus rassistischen Tendenzen, sondern
einfach nur, weil sich die Bestie unter dem großen Fahndungsdruck
mehr nicht leisten konnte. Vermutlich merkt der Mörder bald selbst,
daß seine Eitelkeit nach schwierigeren Vorgaben verlangt. Er wird,
steht zu befürchten, erneut zuschlagen, wird sich diesmal wohl keinen
so krassen gesellschaftlichen Außenseiter auswählen. Wie die
Polizei versichert, ist jemand, der Bekennerschreiben hinterlegt,
prinzipiell daran interessiert, irgendwann gefaßt zu werden, um sein
klägliches Dasein künftig mit dem Ruhm der Verruchtheit zu bemänteln,
seinen belanglosen Namen hervorzuheben aus dem Müll der Menschheit.
Ich muß ehrlich sagen,
liebe Leser, daß es mir ein Hochgenuß wäre, bald
berichten zu dürfen, das Monster sei, als es sich seiner Festnahme
entziehen wollte, abgeknallt worden. Jegliches Verständnis endet
irgendwo, ich spüre das berechtigte Bedürfnis, mir Luft zu
machen, um nicht zu platzen.
Die Aussicht, ein solches
Schwein könne den Gerichtssaal zur Plattform seines kranken,
talentlosen Egos mißbrauchen, ekelt mich an.
Herzlich und voller Wut, Ihr
Jimmy Kistner
Das war die Art, mit der
Kistner beim Massenpublikum Punkte sammelte. Gezielt leistete er sich
politische Inkorrektheiten,
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